Kleine Portionen
einem alternden, halb kahlen Mann im schwarzen Mantel, dessen Schultern vor lauter Schuppen buchstäblich weiß gesprenkelt sind …
Auflösung
Eine Jahreszeit, eine Landschaft, die dieses Gefühl der Auflösung widerspiegelten … Die Eifel. Tiefer, düsterer November. Ein Bühnenbild, das genau zum Niedergang passte, dem wir entgegenfuhren.
Christiane saß stumm und nachdenklich am Lenkrad. Wir hatten Trier hinter uns gelassen. Eine kleine, dunkle Straße wand sich durch nackte, neblige, abweisende Wälder. Eisiger Regen tropfte auf wabernde Nebelwolken, die in Zeitlupe gegen die nassen und schwarzen Baumstämme schwappten. Faulende Blätter klebten auf dem rutschigen Asphalt. Ich wäre nicht überrascht gewesen, wenn ein Werwolf plötzlich am Rand dieser verlassenen Straße erschienen wäre und uns mit der Faust gedroht hätte. Ein Hauch von Verfall und Depression lag auf diesem verlassenen Stück Deutschlands. Ich dachte, ich könnte sogar den Gestank des Verrates durch die geschlossenen Autoscheiben riechen.
Unsere Kollegen Klaas und Pater Anselm hatten letzten Endes jegliche Geheimhaltung aufgegeben und ihr Programm beschleunigt, unter tatkräftiger Mithilfe von Doktor van der Plapper. Seit einigen Monaten war unsere Zusammenarbeit ein angespannter und schwieriger Kampf gewesen. Die drei hatten jede unwichtige Entscheidung, jede einfache Diskussion in langwierige und anstrengende Verhandlungen verwandelt. Endlich hatte das teuflische Trio unseren Geschäftsführer, Monsieur du Rosaire, um ein exklusives Treffen gebeten.
Du Rosaire bestellte uns am nächsten Tag in sein Büro. Als wir eintraten, war seine Haltung feierlich und traurig. Er bat uns, Platz zu nehmen. Dann teilte er uns lapidar mit, was am Tag zuvor geschehen war. Er erzählte uns, dass unser neuer deutscher Partner ein Ultimatum gestellt hatte. Entweder wir übergaben die Monatsschrift, für die wir arbeiteten, vollständig und bedingungslos, oder die Deutschen zogen sich aus dem Vertrag zurück, egal wie viel das eventuell kosten sollte. Darüber hinaus schien sich die ganze Redaktion der Maßnahme anzuschließen, einschließlich jener Personen, von denen wir geglaubt hatten, sie stünden auf unserer Seite. Sie drohten zu kündigen, sollte Christiane oder irgendwer anderer versuchen, zu verhandeln.
»La mort dans l’âme«, sagte du Rosaire und seufzte, »mit todtrauriger Seele bin ich gezwungen, nachzugeben. Das Überleben der Monatsschrift steht auf dem Spiel. Die Aktionäre lehnen jede Neuinvestition ab. Wir müssen die konkreten Bedingungen für diese neue Zusammenarbeit mit den Deutschen ausarbeiten, und ich bitte Sie, solange zu bleiben, bis alle Probleme gelöst sind. Natürlich steht es Ihnen frei, uns zu verlassen, sobald Sie einen neuen Job gefunden haben. Sie sollen wissen, dass wir Sie für Ihre treuen Dienste und für alles, was Sie bisher getan haben, fürstlich belohnen werden …«
Christiane und ich waren schockiert. Wir hatten nicht gedacht, dass es so weit kommen würde. Unser süffisanter Klaas, immer schon sehr selbstverliebt, war entschlossen gewesen, die Monatsschrift ganz und gar zu kontrollieren, das hatten wir seit langem bemerkt. Er konnte seinen Ehrgeiz einfach nicht verbergen. Und seine rotwangige, gespielt naive Frau hatte ihn immer unterstützt. Aber wir hatten gedacht, wir wären stark genug, seinen Plänen entgegenzuwirken. Doktor van der Plapper, darüber waren wir uns einig, würde immer das tun, was sein Arbeitgeber von ihm verlangte. Uns war nicht aufgefallen, dass Klaas ihn von Anfang an beeinflusst hatte. Aber Pater Anselm? Predigte offene Debatten und Liebe, ging dann hin und intrigierte hinter unserem Rücken? Offenbar hatte er sogar seinen Abt überzeugt, dass sein Projekt das Beste sei. Der Mönch, der Abt, der ehrgeizige Theologe, seine Frau und der praktische Verleger … Offenbar war die Verschwörung von ihnen bis ins kleinste Detail vorbereitet worden.
Und Günther? Dieser nette Mann, der immer eifrig bemüht schien, Konflikte zu vermeiden? Der immer beruhigende Worte fand, einen gemeinsamen Nenner bot, neue Kompromisse vorschlug? Ein Intrigant. Und Hanne? Sie, die ihren Job nur behalten hatte, weil Christiane sich für sie eingesetzt hatte? Sie, die immer so wirkte, als wollte sie sich dafür entschuldigen, dass sie existierte? Eine Intrigantin. Sie hatten es getan, und sie hatten es hinter unserem Rücken getan, und sie hatten es getan, ohne sich zu fragen, was aus Liese, Christiane
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