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Kleine Rache zwischendurch (German Edition)

Kleine Rache zwischendurch (German Edition)

Titel: Kleine Rache zwischendurch (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Fritz Müller
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Amateurfunk zu interessieren. Er reichte ihr einen zweiten Kopfhörer, und sie lauschte den seltsamen Zeichen. Selbstverständlich verstand sie anfangs deren Sinn nicht, aber sie lernte das Morsealphabet sehr schnell, und von da an übte sie heimlich auf der Taste, falls ihr Vater nicht im Hause war. Nachts saß sie neben ihm auf dem Dachboden und hörte zu. Sie fürchtete, er würde sie zu Bett schicken, aber das kam ihm nie in den Sinn. Das Kindermädchen musste sie spät abends holen, nicht ohne zu betonen, die gnädige Frau habe es ihr aufgetragen.
    Einmal kam ihr Vater früher als üblich nach Hause. Er hörte das Klappern der Morsetaste, und er war überrascht, nicht nur aneinandergereihte Striche und Punkte, sondern einen sinnvollen Text zu hören. Er morste ihr mit dem Fingerknöchel einen Guten-Abend-Gruß auf die Türfüllung. Sie erschrak, die Taste flog in hohem Bogen auf die Dielen, aber dann morste sie ihm einen Gruß zurück – mit seinem Rufzeichen. Von da an war sie für ihn ein ganz anderer Mensch. Er behandelte sie als erwachsen und ergriff spontan ihre Partei, wenn ihre Mutter oder das Kindermädchen versuchten, Julia zu reglementieren.
    Julia morste mit allem, was ihr in die Hände fiel. Selbst mit Kochlöffeln. Ihr Vater nahm sie mit auf seine Klubstation und gab ihr einen erfahrenen Lehrer. Rasch lernte sie alles, was ein Amateurfunker wissen musste. Die Technik er-schreckte sie kein bisschen. Der Stationsleiter ließ sie bald >QSOs arbeiten<; so hieß das Senden und Empfangen im Fachchinesisch der Amateurfunker. Sie morste nach ein paar Monaten Training sehr schnell. Ihre Gesprächspartner funkten ihr ZSS (geben Sie langsamer), während sie von manchem vor Ungeduld ZSF (geben Sie schneller) forderte.
    Rex Palmer war schon vor Julias Geburt ein Freund des Hauses gewesen. Margarethe Wenckhausen fand es aufregend, neben Künstlern, Wissenschaftlern und Ingenieuren auch einen Kriminalkommissar zu ihrem Freundeskreis zählen zu dürfen. Für Julia wurde er schnell der Ersatz für beide Großväter, die sie leider nur von Fotos her kannte. Rex Palmer war zwar kaum ein paar Jahre älter als Rudolf Wenckhausen, aber das Alter bemerkte Julia nicht. Einen Vater hatte sie und einen Großvater wollte sie. Mit Palmers häufiger Anwesenheit in der Villa Wenckhausen war dieser Wunsch restlos erfüllt.
    Rex beschäftigte sich viel mit ihr, und ihm fiel die Putzsucht des Mädchens sehr früh auf. Vielleicht beobachtete er als Kriminalist Menschen schärfer als ihr Vater, der sich, geprägt durch seinen Beruf, mehr Dingen als Menschen widmete. Rex überlegte, was er tun sollte, um Julia vom Spiegel wegzulocken und von ihrer Eitelkeit zu heilen.
    Mit dreizehn Jahren sah Julia noch ganz alltäglich aus, aber ihre schmalen Fesseln und die schlanken Finger sagten Rex, der Babyspeck, der ihre künftigen Formen ahnen ließ, würde bald verschwinden. Er sah in ihr eine Schönheit heranwachsen. Das und ihre oberflächliche Eitelkeit würde sie, wenn überhaupt, höchstens auf einen Laufsteg führen, von dem sie als Fünfundzwanzigjährige von fünf Jahre jüngeren Konkurrentinnen erbarmungslos wieder verdrängt werden würde.
    Dafür schien sie ihm zu schade. Rex versuchte auf seine Weise, sie für etwas anderes als für Puder und Schminke zu interessieren. Er gab ihr kriminalistische Rätsel auf, um ihren Verstand zu schärfen. Sie sah es als ein Spiel an, und genau das war auch seine Absicht gewesen. Weil es in der Praxis kaum intelligente Morde, stattdessen dumme Diebstähle, aber natürlich auch äußerst raffinierte Spionagefälle gab, handelten seine Aufgaben fast nur von Spionen. Julia folgte ihm begeistert. Mit vierzehn Jahren wollte sie Kriminalistin werden – eine Kriminalistin, die morsen konnte. Sie war fasziniert von dem Gedanken.
    In jener Zeit besuchte ihn Julia oft, und dabei fiel ihr auf, wie einfach er lebte. Rex Palmers Wohnung war mit der Villa ihrer Eltern überhaupt nicht zu vergleichen. Sie begann zu zweifeln, ob es sie auf Dauer befriedigen würde, als morsende Kriminalistin zu leben.
    Mit sechzehn Jahren verdiente sie sich in den Ferien bei einer Firma, die Radios und Funkgeräte entwickelte und produzierte, in einem Labor ein paar Mark. Sie sollte am Computer Schaltungen zeichnen. Das gefiel ihr recht gut, nur die jungen Ingenieure ließen sie kaum in Ruhe arbeiten. Als sie sich bei dem Leiter der Forschungsabteilung über das ständige Begrapschen beschwerte und ihn bat, das zu verbieten,

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