Kleine Rache zwischendurch (German Edition)
wie diese Edelhure bezahlt wurde. Sie nahm das Geld lächelnd dankbar an, auch wenn sie innerlich kochte. Mordgedanken stiegen in ihr hoch, aber er spürte nichts davon. Er fühlte nur ihre weichen Arme um seinen Hals geschlungen, ihre feuchten Lippen auf seinem Mund und ihre straffen Brüste. Sie ertrug das alles, nicht weil sie sich ihm unterwarf; sondern weil es für sie ein Training in Beherrschung war. York Yorck hatte ihr geraten, jede Ge-legenheit zu nutzen, sich immer besser zu kontrollieren. >Wer Gefühle zeigt<, hatte er gemahnt, >ist bereits verloren.< Aber kaltes Kalkül allein war es nicht. Sie liebte ihn wirklich. Wenn er nur nicht immer >mein schönes Kind< sagen, sie mit abscheulichem Schmuck behängen, so fürchterlich mit ihr angeben und sie nicht immer die Nitribitt spielen lassen würde. Zu ärgerlich, obwohl ... also die Nitribitt spielte sie wirklich gern. Und je mehr sie sich dieser Figur hingab, desto leichter schlüpfte Armin in die Rolle ihres besten Kunden, was wiederum sie anspornte. >Seltsam<, dachte sie, >in jeder Frau steckt doch ein Stück Dirne, wie aus jedem Mann ein Stück Freier herausschaut. Ein viel größeres Stück selbst-verständlich<.
Armin hatte sich eine Sammlung von Zeichnungen mit den beliebtesten Pin-up-Girls der 50er Jahre angelegt. Und Julia besaß inzwischen so ziemlich die gesamte Garderobe dieser Mädchen. Zwei geschickte Schneiderinnen hatten viele Wochen lang daran gearbeitet und geändert. Sie hatten an den Verkleidungen den gleichen Spaß wie Julia, aber das größte Vergnügen empfand Armin. Anfangs hatte Julia allein vor dem Spiegel Gesten und Bewegungen eingeübt, aber dann hatte Armin sich als Choreograf betätigt. Julia lernte schnell. Da kam Armin flüchtig der Gedanke, sein hübsches Mädchen sei doch vielleicht ein bisschen mehr als nur ein hübsches Mädchen. Aber hübsche Mädchen vertrieben von jeher aus männlichen Hirnen sehr rasch alles, was auch nur entfernt nach einem Gedanken aussah. Er vergaß seine Vermutung, bevor sie sein Gedächtnis erreichen konnte.
Eine beliebte Szene, völlig albern, die bei den Pin-ups der 50er Jahre in zahllosen Varianten auftauchte, spielten sie immer wieder: Julia trägt einen weiten Rock, sie schlendert auf Armin zu, ohne ihn zu bemerken. Plötzlich bläst der Wind ihr den Rock hoch. Julia versucht kreischend, den federleichten Stoff gegen den Sturm nach unten zu drücken. Mitten in diesem Kampf platzt gänzlich unerwartet das Gummiband ihres Slips und das Höschen rutscht ihr auf die Schuhe. Julias Füße sind wie gefesselt, sie kann sich nicht mehr rühren. Aber zum Glück ist ja Armin in der Nähe, der ihr sofort zu Hilfe kommt und das Höschen wieder hoch-zieht. Dabei vergriff er sich manchmal etwas ungeschickt, aber das verzieh sie ihm juchzend, aber nicht, ohne ihm mit dem Wedel einen Klaps auf die Nase zu versetzen. Der Wedel ist neu. Auf den Pin-ups fehlt er.
Die beiden haben das mehrfach hintereinander gespielt, solange, bis Julia sich vor Lachen nicht mehr auf den Beinen halten konnte. Vielleicht hatte dann auch der Alkohol ihre Standfestigkeit beeinträchtigt. Ein albernes Spiel. Niemals würden sie es irgendjemandem erzählen.
Armin fotografierte Julia in jedem Kleid, in jeder Pose. Julia passte ihr Gesicht den Kleidern und den Zeiten an, in denen diese Mode getragen wurde. Sie war der wasserstoffblonde Mädchentyp, das >All-American-Girl<, das Ziegfeld erfunden und 1908 nach New York gebracht hatte, sie spielte das nette Mädchen von nebenan, den Vamp, der 1940 in Mode kam und von Lucille Ball, Betty Grable und Rita Hayworth verkörpert wurde. Julia schlüpfte in die Rolle der unvergesslichen Grace Kelly, staunte wie Doris Day und posierte wie Liza Minelli in >Cabaret<. Lizas große Augen hatte sie ja. Als die Flitterkleider der 80er Jahren, bekannt aus der Duke-Ellington- Revue >Dreamgirls<, an die Reihe kamen, ließ Armin kilowattstarke Scheinwerfer aufstellen, damit die Glasperlen auch wie auf der Bühne funkelten.
Und immer wieder zwischendurch Julia mit schwarzem Zylinder schief auf dem Kopf, einem weißen Schleier lose um den Hals geschlungen und langen schwarzen Handschuhen. Mit einer riesigen dünnen Zigarettenspitze zwischen den Fingern der linken Hand tänzelte sie wie Audrey Hepburn durch den Salon und wedelte spielerisch den Staub von den Möbeln. Ab und zu blieb sie vor einer Bodenvase stehen, bückte sich und reckte den Po heraus. Mit - trotz ihrer High Heels - durchgedrückten Knien
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