Kleine Rache zwischendurch (German Edition)
und gähnte mit geschlossenem Mund.
Julia wusste immer noch nicht, wie sie morgen mit Friedanger verfahren sollte, und das ließ sich von ihrem Gesicht auch ablesen. Rex las es ab, aber er deutete es als die schlechte Laune, die Kinder befällt, wenn sie müde geworden sind. Bei Erwachsenen war ihm das zwar noch nie aufgefallen, aber Julia war und blieb in seinen Augen ein Kind. Was sie wirklich trieb, verbannte er aus seinem Bewusstsein, so gut es ging.
Rex erhob sich. Er verabschiedete sich, sprach von Müdigkeit und von vieler Arbeit, die morgen auf ihn wartete. Es wirkte ein bisschen linkisch, aber Armin ging sofort darauf ein. Ein bisschen zu rasch trat er an ihn heran, schüttelte ihm die Hand und lud ihn ein wiederzukommen, sobald er Zeit fände. Während Armin ein Taxi rief, begleitete Julia Rex bis zum Ausgang. Sie sog die feuchte Nachtluft ein und blickte in den wolkenverhangenen Himmel. Sie redeten miteinander über Belangloses, schritten langsam über den Kiesweg und warteten auf das Taxi. Als es endlich kam, stieg Rex gleich ein. Er wollte das Fenster öffnen, fand sich in dem abgedunkelten Auto aber nicht zurecht. So musste er Julia durch das geschlossene Fenster hindurch zuwinken.
Julia fröstelte. Sie rieb ihre nackten Schultern und beeilte sich, wieder in das warme Haus zu gelangen. Vor der Liege blieb sie stehen und sah sich um. Armin war nirgends zu finden. Ein leises Geräusch verriet ihr, wo sie ihn suchen musste: Er stand unter der Dusche. Julia ging die Treppe hinauf. Ein Slip und ein Stückchen Stoff mit Spaghettiträgern fielen auf die Stufen, ein Schuh hüpfte die Treppe runter und dann zog Julia sich eine Duschhaube über die Frisur.
4.
Das Frühstück war beiden heilig. Es wurde ganz gemütlich um neun Uhr eingenommen. Hektik am Morgen war in der Villa >Julia< streng untersagt. Armin brauchte den sanften Start in den Tag, damit er bis zum Abend der ruhende Pol der Kanzlei bleiben konnte. Und Julia erwachte grundsätzlich kaum vor elf Uhr zum Leben. Bis dahin musste sie ihr Gähnen unterdrücken, was ihr gelegentlich sogar gelang.
Wie gewohnt verabschiedete Armin sich um zehn Uhr von Julia. Er wünschte ihr regelmäßig einen schönen Tag, auch wenn das Wetter abscheulich war, nahm den Autoschlüssel vom Haken und ging hinaus. Heute drehte er sich an der Tür um und bat sie: »Ach übrigens, ich habe mit Großmann & Sichel noch ein Geschäft vor. Sei so nett, mein schönes Kind, und vermeide den Kontakt zu Friedanger vorerst, ein paar Tage nur, dein Segelkursus muss ja nicht gleich heute beginnen, ja?« Julia versprach es. Ihre großen Kinderaugen signalisierten ihm unbedingten Gehorsam. Er sagte nicht, was für ein Geschäft er mit Großmann & Sichel vorhatte, und sie fragte nicht danach. Wollte er es vor ihr verschweigen, dann hätte ihre Frage ihn nur zu einer ausweichenden Antwort gezwungen. Also ließ sie es bleiben und hoffte, er respektierte ihre kleinen Geheimnisse ebenso.
Julia ärgerte sich immer, wenn er >mein schönes Kind< zu ihr sagte. Es verriet zu deutlich, was er von ihr hielt. Sie war für ihn nur schön. Hübsches Gesicht mit Schmollmund, großen Augen, langen Wimpern. Er wühlte gern in ihrem herrlich dichten Haar, konnte nicht aufhören, ihre Haut zu streicheln und sie seidiger als Seide zu finden. Und wenn er ihre Rundungen befühlte und beschrieb, war es um seinen Verstand restlos geschehen. Männer hatten ihren Verstand nicht immer dort, wo er hingehörte, aber Julia fand das ganz in Ordnung – nicht nur bei Armin.
Alles nur äußerlich. Er prahlte mit ihr vor seinen Geschäftsfreunden, behängte sie mit teuerstem Schmuck, den sie gar nicht leiden konnte, was ihm aber entweder nicht auffiel oder nicht interessierte, und er animierte sie, viel Geld auszugeben, damit alle nicht nur seinen Reichtum, sondern auch ihren Wert ermessen sollten. Manche Nacht musste sie vor ihm tanzen, nackt oder mit einem Dutzend langer Perlenketten behängt, die kaum bezahlbar waren, oder auch nur mit Papierschlangen umwickelt. Nach ein paar Gläschen Wein hatte sie an solchen Spielchen auch ihren Spaß. Sie hatte Schauspielunterricht genommen und tanzen gelernt, damals, als sie noch mit Ramon Feuerdorn verheiratet gewesen war. Sie bewegte sich, wie es ihr einfiel: wie auf dem Laufsteg oder wie eine Königin kurz vor der Krönung. Sie kopierte Nadja Tiller in der Rolle der Nitribitt perfekt. Armin bezahlte sie im Scherz, um die Filmszene vollständig und genau zu spielen, ebenso
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