Kleine Schiffe
nach oben. Andreas nickt. Wir bahnen uns Hand in Hand einen Weg durch die Partymeute. Der Polonaisezug ist bereits auf dem Rückweg.
Tina ruft uns zu: »Gleich ist Mitternacht!«
Wir nicken nur. Oben angelangt, schließt Andreas die Tür.
»Warum bist du nicht gleich in Hamburg geblieben?«, frage ich, als wir beide auf dem Bett liegen. »Damit hättest du dir ein paar Autobahnstunden gespart.«
»Du bist erschreckend praktisch.«
»Und du glücklicherweise romantisch.«
Andreas stützt sich auf seinen Ellbogen. »Es lag an deinem Partyplan: Ich habe dich gar nicht wiedererkannt. Die Franziska, die ich geheiratet hatte, feierte keine Partys.«
»Von der Franziska, die du geheiratet hast, hast du dich scheiden lassen!« Ich kann seinen Gesichtsausdruck nicht deuten und frage: »Mochtest du die andere Franziska lieber?«
»Nein. Ich vermute sogar, dass du wunderbares Wesen, wer auch immer du in Wahrheit bist, immer schon in der alten Franzi gelebt hast. Du bist nur nicht herausgekommen. Entweder hast du dich nicht getraut – oder du fandest es hier draußen nicht schön genug. Vielleicht hat das auch an mir gelegen.«
»An dir?«
»Ja, ich hätte dich vielleicht früher entdecken können.«
»Habe ich mich wirklich so verändert?«
»O ja! Das ist mir in der letzten Woche aufgefallen.«
»Du meinst: keine Bastelarbeiten, keine Strickkörbe?«
»Ja – und noch viel mehr. Deine neue Begeisterung für Sport. Du hast mich gefragt, ob wir gemeinsam laufen.«
»Haben wir bisher aber leider noch nicht getan.«
»Ich war von deiner Frage so überrascht, dass ich es gar nicht glauben konnte. Wenn ich früher gelaufen bin …«
»… habe ich das nie boykottiert!«
»Nein, aber du hast auch nicht mitgemacht. Ich hatte immer das Gefühl, dass du den Sport als Rivalen gesehen hast.«
Dieser Gedanke ist mir neu. Aber ich muss zugeben: »Vielleicht hast du damit recht. Denn das war Zeit, die du nicht mit mir verbrachst hast.«
»Du hättest jederzeit mitmachen können. Stattdessen hast du gesagt: ›Lauf du nur, in der Zwischenzeit koch ich uns etwas.‹«
»Das war doch nett, oder?«
»Ja und nein. Ich habe etwas nur für mich getan – das Laufen. Du hast etwas für uns getan – das Kochen. Das hat mich bedrückt. Mir wäre lieber gewesen, wir hätten gemeinsam etwas für uns getan. Und zwar, weil es dir wirklich Spaß macht.« Er sucht meinen Blick. »Ich hätte dich gern gefragt, ob du mitkommen willst. Zum Laufen oder zum Fahrradfahren. Jedenfalls am Anfang. Später warst du so … eingeschlossen in deiner Enttäuschung, deiner eigenen Welt. Als ob …« Er lächelt wehmütig. »Als ob du dich selbst in einen Kokon eingehäkelt hättest.«
Ich beginne langsam zu verstehen. »Und du hast dich gleich mit eingehäkelt gefühlt in diesem Kokon? In unserer Ehe?«
Andreas nickt. »Nach Johannes’ Tod fühlte ich mich auch wie tot. Ich spürte mich nicht mehr. Ich spürte auch unsere Verbindung, unsere Liebe nicht mehr.«
»Und jetzt?«
Andreas setzt sich auf. Er reibt sich aufgeregt die Hände.
»Jetzt lebe ich wieder! Mir ist heute Morgen etwas klargeworden. Ich habe verstanden, dass die Liebe ein Marathon ist. Wir haben schon gute fünfundzwanzig Kilometer hinter uns. Und können uns auf die nächsten freuen. Und wenn ich es nach den letzten Tagen beurteile, reicht unsere Kondition noch bis zum Ziel. Franzi, ich habe damals viel zu früh aufgegeben. Und mich beinahe um alles gebracht. Ich war so ein Idiot!«
Ich will etwas sagen, aber Andreas hebt abwehrend die Hand. »Warte noch. Ich will noch etwas sagen. Also … Du brauchst keine Angst zu haben, dass ich dich nach Dänemark holen will. Dass das keine gute Idee war, habe ich verstanden. Ich habe in den letzten Tagen überhaupt so einiges verstanden. Ich habe immer gedacht, dass ich eine Frau und eine Familie will. Aber ich will eben nicht irgendeine Frau – ich will dich.«
Er beugt sich vor und sagt mit großer Dringlichkeit: »Ich möchte den Rest meines Lebens mit dir verbringen. Ich muss! «
Ich wage kaum zu atmen und halte unwillkürlich die Luft an.
»Ich muss mit dir zusammen sein. Um zu leben. Mit dir und mit Amélie und Lisa-Marie.« Ich atme aus. Alles ist gut. Das Glück ist da.
»Auch, wenn ich Partys veranstalte?«
»Auch dann!«
»Wenn ich in Hamburg lebe?«
»Das habe ich doch schon gesagt.«
»Und wenn ich uns wieder einhäkele?«
Andreas lacht. »Soviel ich weiß, hast du gar keine Häkelnadeln mehr im Haus! Da probiere
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