Kleine Suenden zum Dessert
verstohlen die Schuhe ab, und augenblicklich fiel die Anspannung von ihm ab, wurde er wieder er selbst, als sei er tief in seinem Inneren ein Naturwesen, das jedem Versuch der Mode oder des Rechtssystems, es zu zähmen, widerstand.
Auch Grace entspannte sich. Sie schauten einander eine Weile schweigend an, und dann sagte Adam: »Danke, dass du gekommen bist. Es ist schön, dich zu sehen.«
»Gleichfalls.«
»Wie geht es den Jungs?«
»Großartig.«
»Und Jamies ... du weißt schon?«
»Die sind fast weg. Gott sei Dank. Aber er trägt immer noch extraweite Sweatshirts. Und wie geht es dir?«
Er grinste halbherzig. »Du meinst, abgesehen davon, dass ich in einer halben Stunde vor Gericht erscheinen muss?«
»Das wird bestimmt kein Drama«, bemühte Grace sich, ihn zu beruhigen. »Hast du noch Kontakt zu Martine?«
Er schnaubte leise. »Sie ruft mich hin und wieder an. Es langweilt sie tödlich, den ganzen Tag an einem Angeberschreibtisch zu sitzen. Sich an das Establishment zu verkaufen, hat ihr nicht gebracht, was sie sich erhoffte.« Radikal wie eh und je. Und er hatte Amanda noch nicht erwähnt. Eine neue Theorie begann in Graces Kopf Gestalt anzunehmen, und es war keine besonders schmeichelhafte: Hatte Adam vielleicht entschieden, dass eine so frühe Vaterschaft ein Klotz an seinem Revoluzzerbein wäre? Hatte er der unglücklichen Amanda gesagt, sie solle die Fliege machen, er müsse die Welt retten?
»Warum siehst du mich so an?«, fragte Adam.
»Wie denn?«
»Als hätte ich dir etwas angetan. Dabei hast du mich in die Wüste geschickt, wenn ich mich recht erinnere.«
Sein Ton drückte weder Groll noch Kummer aus, und sie stellte fest, dass sie eher gekränkt war als erleichtert. Dann amüsierte sie sich über ihre Eitelkeit.
»Ja, so war es wohl«, erwiderte sie.
Adam spielte mit einem Bierdeckel. »Und wie geht es Ewan?«
»Ziemlich gut. Glaube ich zumindest.«
Er legte den Bierdeckel aus der Hand und wandte sich ihr zu.
»Ewan und ich haben uns getrennt.«
»Was?«
»In aller Freundschaft, wie das heißt. Im Moment klambüsern wir noch die Scheidungsmodalitäten aus. Es war übrigens meine Idee.« Sie setzte sich gerade hin, warf die Haare über den knöchellangen Strickcardigan zurück (sie hatte beim Stricken irgendwie kein Ende finden können) und fuhr fort: »Und ich studiere wieder - ich mache Modedesign. Das erste Semester habe ich als Beste des Kurses abgeschlossen. Und ich schreibe einen Science-Fiction-Roman. Na ja - ich habe erst am Freitag angefangen, aber es sind immerhin schon fünf Seiten, und Natalie ist begeistert. Und den nächsten Sommer verbringe ich wahrscheinlich in Spanien, wenn das mit dem Haustausch klappt.« Sie wollte ihm eigentlich auch noch erzählen, dass sie mehr für Computers for Schools gesammelt hatte als alle anderen Mütter, doch dann erschien ihr das zu prahlerisch. Adam betrachtete sie mit der vertrauten Mischung aus Zuneigung und Belustigung.
»Lachst du mich aus?«, fragte sie. Und wenn schon - es würde ihr nichts ausmachen.
»Absolut nicht. Ich dachte nur gerade, dass ich das nicht toppen kann.«
»Weil du noch so jung bist«, sagte sie liebenswürdig. »Du kommst auch noch dahin.«
Ihr Geplänkel fand ein abruptes Ende, als die Tür der Damentoilette aufging und Amanda erschien. »Grace!«, quietschte sie freudig, eilte auf sie zu und schlug Adam spielerisch auf den Arm. »Du hast kein Wort gesagt, dass sie heute kommen würde.«
»Ich wusste es ja gar nicht«, verteidigte er sich.
»Es hat sich erst in letzter Minute ergeben«, erklärte Grace.
Jede weitere Spekulation bezüglich Amandas Rolle in Adams Leben erübrigte sich, als diese zärtlich den Arm um ihn legte und ihren Bauch tätschelte, der sich, nicht größer als eine Honigmelone, unter einem bunten, gesmokten Hippiehemd abzeichnete.
»Ich verbringe die meiste Zeit auf dem Klo«, vertraute sie Grace an. »Das Baby liegt auf meiner Blase, wissen Sie. Fühlen Sie mal!«
Sie nahm Graces Hand. Der Bauch fühlte sich auch so hart an wie eine Honigmelone.
»Jetzt habe ich euch miteinander bekannt gemacht«, kicherte sie, und Grace verspürte den altvertrauten Drang, ihr eine schallende Ohrfeige zu versetzen.
»Herzlichen Glückwunsch«, sagte sie stattdessen und zog ihre Hand weg. »Ich freue mich für euch.«
»Wir freuen uns auch«, konstatierte Adam in nüchternem Ton.
»Na ja - inzwischen«, ergänzte Amanda. »Wir brauchten schon eine Weile, um uns an den Gedanken zu
Weitere Kostenlose Bücher