Klemperer, Viktor
hochnäsig u. tip-top gekleidet. Der Haß auf diese Leute scheint verbreitet. Vgl. Verwandtschaft u. Gegensatz dieser Gruppe zu den Etappenschweinen des vorigen Krieges. – Curiosum umschlagenden Windes, gleichartig von * Bernhard St. u. bei * * Witkowskys berichtet: * Jacoby u. noch ein paar Juden sollten auf dem Friedhof der Bremerstr. ein Massengrab herrichten. (Täglich lange Spalten der Bombentoten in der Ztg.) Mit ihnen sollte ein arischer Arbeiter graben. Der weigerte sich, er sei Facharbeiter. Der Friedhofinspektor befahl. Nein – mit Juden nicht zusamen. Darauf der Inspektor: Dann machen Sie s alleine!, u. schickte die Juden nachhaus.
* Hesse sprach mir Mut zu: man werde nicht Zeit behalten, uns etwas zu tun, es werde über Nacht kommen, ich würde mein Amt zurückerhalten. –
In der Dresd. Ztg. vom 25/I. wiedermal * W. Lippmann als einer der Inspiratoren der Rooseveltschen Außenpolitik citiert u. beschimpft (Jud Lippmanns zynisches Bekenntnis, nämlich zur Auslieferung Europas an die Bolschewisten.) Er ist wohl der Leitartikler der New York Herald Tribune. In gleicher Nummer von dem Judenfresser Prof. Dr. * von Leers eine Paraphrase des letzten * Goebbels-Reichartikels. Titel: Wer will keinen Frieden? – Wer verlängert den Krieg? Die gleiche Nummer zeigt ausführlich rühmend – Lokalpatriotismus % Raummangel! – ein Buch von Prof. * Fritz Martini 1 an: Das Bauerntum im deutschen Schriftum von den Anfängen bis zum 16. Jahrhundert. Es sei eine rein literarhistorische Studie, sie wolle, wie der Verf. betone, []aus dem Wesen des Schrifttums heraus die innere geistige Auseinandersetzung mit dem umfassendsten u. lebenswichtigsten Glied des Volkskörpers (!), dem Bauerntum finden. Das ist eine witzige u. für LTI wertvolle Sache. Nämlich: * Martini ist, wenn ich nicht irre, der Vorsitzende des Philologenvereins hier gewesen, 2 ein anständiger Kerl, der mich 1933 – es muß ja im Tgb. stehen – bedrückt u. sympathisierend verabschiedete. Ganz offenbar kein Nazi. Wie kann man nun seine Seele einigermaßen bewahren u. sich doch als Anhänger der gegenwärtigen Weltanschauung erweisen? Lösung: indem man sich mit dem lebenswichtigsten ... usw. fachwissenschaftlich befaßt.
Sonntag Mittag 28. Januar 45
* Colin Roß: Das Meer der Entscheidungen. Beiderseits des Pazifik. Brockhaus 2. Aufl. 1925. Vorwort Singapore Sommer 1924
I Amerika.
Gleich anfangs, S. 25: der Europäer denke immer: Wolkenkratzer, Gibsongirls, Prohibition und Dollarjagd. Alles dies aber sind nur Äusserlichkeiten einer Vitalität u. eines Idealismus, die uns oft genug kindlich naïv anmuten mögen, jedoch von einer Stärke sind, daß sie dieses Volk in kritischen Zeiten zu unmöglich scheinenden Leistungen befähigen (Nur ein Hauch hiervon bleibt im Buche von 1942)
Den Anlaß zu dieser Reflexion gibt der geänderte New Yorker Winter. Die Klima-Änderung durch die ungeheure Bewässerung, Irrigation ehemals trockener Gebiete. Auf diese Ruhmestat, auf diesen Sieg über die Natur komt Roß immer wieder zurück mit genauen Angaben (41). Sein besonderes Lob für Californien ist dies, daß es hier den Amerikanern gelungen durch planmäßige Anpflanzung, durch menschliche Phantasie u. menschliche Arbeit jene ideale Landschaft zu schaffen, die man in seinen Anpreisungen schon als von der Natur gegeben hinstellt. 57. (Einzelheiten dazu 68/69) Es gehört zu diesem Gedankengang, daß auf die Reichlichkeit des kostenlosen Schulunterrichtes bei kostenlos gelieferten Schulbüchern hingewiesen wird. – 1943 schildert R. genau das Gegenteil: die Amerikaner gehen an früheren Sünden wider die Natur (Raubbau jeder Art) einmal zugrunde. –
Als amerikanisches Volk versteht er: Amerikanisch ist die Mischung von englischem, irischem, deutschem, romanischem u. slavischem Blut auf neuem Boden 33. Ausdrücklich nicht angelsächsisch allein. Nicht das neuenglische Boston, sondern Chicago ist ihm die reinst[e] amerikanische Stadt. Chicago mit seinen geborenen Amerikanern. Bosto New York ist Einwandererstadt. Während des Weltkrieges hervortretender Nationalismus der 100prozentigen Amerikaner, Reaction der nicht rein angelsächsischen, insbesondere auch der Deutschamerikaner. Einschränkung der Immigration auch durch Rassenfrage mitbestimmt. Ost- u. Südosteuropa wird als Fremdkörper empfunden. Von Juden ist nirgends die Rede. Das Wort Jude fehlt im ganzen Opus.
Eigentliche Rassenfragen behandelt * Roß nur im Punkt der Neger u. der Japaner.
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