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Klemperer, Viktor

Klemperer, Viktor

Titel: Klemperer, Viktor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die Tagebücher
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Meineid festgestellt. Begnadigung beantragt. (Sinn des Titels: Maurizius auf dem Wege zur Vita nova 1 ?) T III Maurizius flüchtet in den Tod. – –
    Bedeutend an dem Buch ist noch, wie * W. mit wenigen Strichen episodische u. Nebengestalten (im Zuchthaus, in der Berliner Elendpension etc.[)] lebendig macht. Das wimmelt; das ließe sich zu ganzen Novellenbänden auswalzen. – Sehr lebensvolle Gestalten des zweiten [Teils] sind die Großmutter Andergast, die an Etzel hängt u. den starren Sohn mißbilligt u. fürchtet, u. die geistig unbedeutende u. Etzel liebende Haushälterin u. Erzieherin oder Pflegemutter Kie.
     
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    22 30 h Immer wieder bis jetzt habe ich an diesen Notizen heute gesessen. Dazwischen den * Bergengruen vorgelesen. Das warme Zimmer hier unten, das häßliche Wetter draußen! Wir machten nur unsere Eßgänge: zu Mayer, zu Pohlandt, zu Pohlandt, zu Mayer.
    Nachts ½ 1 (Karfreitag) Um 23 40 weckte uns Kleinalarm ; eben kommt Entwarnung, nach 50 Minuten; es wird wohl Berlin gegolten haben.
    Den Heeresbericht hörten wir heute schon um 5, als wir bei Pohland Kaffee tranken. Er ist trotz aller Verschleierung so katastrophal, daß wir uns immer wieder sagen, es könne nicht mehr lange dauern. Widerum wird mit den gemeinsten Mitteln der Resistenzwille aufgepeitscht, man wirkt noch stärker auf die Furcht als auf den Fanatismus. Das geht so von Sendung zu Sendung. Mittags bei Mayer kam ein Lagebericht durch. Der Mann formulierte: Wenn wir Widerstand leisten, haben wir die Möglichkeit weiterzuleben; wir wir kapitulieren, sterben wir gewiß. Denn nicht nur die Bolschewisten wollen uns ausrotten, sondern die Angloamerikaner wollen es auch, hinter beiden steht der jüdische Vernichtungswille.[] Am Abend bei Pohlandt – oder war es am Nachmittag? ich glaube, es war beidemale der Fall – gräuliche Exempla amerikanischer Tyrannei u. Mordgier; Aussprüche wie: es müßten täglich 5 000 Deutsche Hungers sterben, etc. etc. in infinitum.
     

 
    Sonnabend 31 März 45 .
     
    Abends nach 21 h . Die Alarmpause wurde heute nachgeholt. An den Nachtalarm schloß sich von 9–¾ 11 ein Vollalarm , den wir bei einigem Flügelrauschen unten vrbringen mußten, u. als ich um 12 30 * E. vorm Rathaus erwartete, kam Kleinalarm , der glücklicherweise, denn sonst hätte er den Rathausweg vergeblich gemacht u. uns damit in böse Verlegenheit gebracht – am Di. geht unser Zug um 5 h früh, u. von Sonnabend Mittag bis Dienstag ist das Rathaus geschlossen – glücklicherweise also klein blieb u. eine halbe Stunde später, während wir aßen, sein Ende nahm.
    E. hat uns also hier für den 3. April abgemeldet. Der Heeresbericht zeigt auch heute große Fortschritte der Alliierten in Ost u. West, aber eine Ende läßt er auch heute nicht absehen, u. das Aufpeitschen der Resistenz unter wüstester Beschimpfung der Feinde hält an. Wir fahren also auf Wochen, vielleicht auf Monate ins Leere mit all seinen Gefahren.
    Nach langer Wanderung u. spätem (doppeltem aber trotzdem unzulänglichen) Essen zum Schreiben allzu ermüdet.
     

 
    Ostersonntag 1. 4. 45 Falkenstein
     
    Früh, nach 6 h Um dem kalten Wind zu entgehen – es ist aber doch richtiger Frühling mit jungem Grün geworden, u. wir haben den Wechsel der Jahreszeit hier sehr deutlich miterlebt – machten wir gestern Nachm. erst den vertrauten Waldweg über Loch- u. Wendelstein zum Gasthaus Wendelstein in Grünbach. Einmal suchte E. mit gutem Erfolg einen Brombeerstrauch nach darunterliegenden dürren Blättern ab. Denn der Apotheke ist der Vorrat gänzlich ausgegangen. (Trinktee wurde durch Folia Rubi nigri 1 ersetzt – * E s Kenntnissse an botanischem Latein! sie fand sich in den Kästen hier aus. Woraufhin ich das Lexikon im Handbuch der Apothekenhelferin studierte – aber zur Tabakstreckung sind folia Rubi fruticosi 2 nötig.) . Wir saßen eine reichliche Stunde beim Kaffee, um den Heeresbericht mitzunehmen – Glogau, Ratibor, Küstrin; Heidelberg, Botropp – u. gingen dann, nach 5, auf einem neuen Bogen zurück: erst einen Kilometer südwestlich nach Siehdichfür , dann in der Mitte u. rittlings der Landstraßen Grünbach–Falkenstein u. Neustadt–Falkenstein auf Eingeborenen-Pfaden heim, die kurz vor der Stadt auf die Neustädter Landstraße führen. Was war an diesen 4–5 km Rückweg das Besondere u. besonders Schöne? Es war ja doch im Wesentlichen die gleiche Landschaft, derselbe Wechsel von Schonung u. höherem Nadelwald, von Wald u. Lichtung, derselbe

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