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Klemperer, Viktor

Klemperer, Viktor

Titel: Klemperer, Viktor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die Tagebücher
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einen sehr feinen u. sehr charakteristisch englischen Roman, danach den Spanischen Pachthof von * Moltram . 3 Großartig – u. schade daß zum Notieren Zeit fehlt. Doppelt schade, da ja hier das Thema: Franzosen von Engländern gesehen so wesentlich ist. Vielleicht doch für Kult.K.Colleg zu benutzen.
     

 
    11. III
    Idee für einen Simplicissimuszeichner 4 : Christus aufgenordet (buchstabiere G wie Georg, E wie Ernst, N wie Max etc) am Hakenkreuz. Juristische Frage: nach welchem § zu verurteilen? Beleidigung der Staatsautorität – der Religion?
    Ich begann heute am Frankreichbild zu schreiben – obwohl noch mancherlei Lektüre fehlt. – Ich begann gestern Lebenserinnerungen von * Hilgart-Villard 5 vorzulesen.
     

 
    17. III Freitag früh
    Letzten Sonntag Vorm. bei Frühlingswetter einmal mit * Eva zu Fuß von der Weißeritz nach H. D. 6 hinauf, unser Bauland betrachtet, u. zu Fuß herunter. Eine Expedition. Dazwischen ein Weilchen bei * * Dembers gerastet. Wir fanden sie allein bei Tisch, ihre * * Kinder 7 laufen in Innsbruck Ski. Man sprach Politik – mit Vorsicht, da die Fenster offen standen.
    Die letzten beiden Tage bin ich durch heftigste Fieber-verbundene Erkältung ganz matt gesetzt gewesen, besonders gestern lag ich qualvoll herum oder saß benomen in irgend einer Ecke. Heute sind Nase u. Augen immer noch im schlimmsten Zustand, aber die Fieberzerschlagenheit scheint weg. Wir sollten heute Gäste haben, morgen bei den jungen * * Köhlers sein, mußten beides absagen.
    Aber leider hatten wir am Dienstag Abend * * Thiemes hier . 8 Das war entsetzlich u. war ein Ende . Mit einer solchen begeisterten Überzeugung u. Verherrlichung bekannte sich Thieme – er! – zu dem neuen Régime. Alle Phrasen von Einigkeit, aufwärts, usw. gab er mit Andacht wieder. * Trude war viel harmloser. Es sei alles schief gegangen, nun müsse man dies versuchen. Jetzt bl müssen wir eben einmal in dies Horn blasen! Er verbesserte heftig: wir müssen nicht, es sei wirklich u. frei gewählt das Richtige.
    Das verzeihe ich ihm nicht. Er ist ein armer Hund u. ängstigt sich um seinen Posten. Er muß also mit den Wölfen heulen. Gut. Aber warum mir gegenüber? Vorsicht der äußersten ganz durchgeführten Heuchelei? Oder wirklich gänzliche Umnebelung? Wahrscheinlich – * Evas Ansicht! – dies zweite. Wir haben uns in Th. s Intellekt geirrt. Er hat die partielle mathematische Begabung. Er ist im übrigen haltlos jedem Einfluß, jeder Reklame, jedem Erfolg hingegeben. Eva hat dies schon seit Jahren erkannt. Sie nennt ihn: ohne alle Urteilskraft. Aber daß es so weit gehen würde ... Ich schließe mit ihm ab.
    Die Niederlage 1918 hat mich nicht so tief deprimiert wie der jetzige Zustand. Es ist erschütternd, wie Tag für Tag nackte Gewalttat, Rechtsbruch, schrecklichste Heuchelei, barbarische Gesinnung ganz unverhüllt als Dekret hervortritt. Die sozialistischen Blätter 1 sind dauernd verboten. Die liberalen zittern. Neulich war das B. T. 2 zwei Tage verboten; den Dresdener N. N. kann das nicht geschehen, es ist gänzlich regierungsfromm, bringt Verse auf die alte Fahne etc.
    Einzelberichte: Auf Anordnung des Reichskanzlers sind die fünf im Sommer vom Sondergericht in Beuthen verur wegen Tötung eines kommunistischen polnischen Insurgenten Verurteilten freigelassen worden. (Die zum Tode verurteilten! 3 ) – Der sächsische * Komissar für Justiz 4 ordnet an, daß das zersetzende Gift der marxistischen u. pazifistischen Schriften aus den Gefängnisbibliotheken zu entfernen sei, daß der Strafvollzug wieder strafend, bessernd u. vergeltend wirken müsse, daß die langfristigen Druckformular-Verträge mit der * Firma Kaden, die auch die Volksztg. 5 gedruckt habe, hinfällig sei. Usw. usw. – Unter französischer Negerbesatzung würden Thieme wir eher in einem Rechtsstaat leben als unter dieser Regierung. Es gibt eine Novelle von * Ricarda Huch 6 : da ist ein fromer Mann hinter einen Sünder her u. wartet, daß Gott ihn strafe. Er wartet vergeblich. Manchmal fürchte ich, daß es mir gehen wird wie diesem fromen Mann. Es ist wahhaftig keine Phrase: ich kann das Gefühl des Ekels u. der Scham nicht mehr loswerden. Und niemand rührt sich; alles zittert, verkriecht sich.
    * Thieme erzählte mit freudiger Anerkennung, von einer Strafexpedition der S.A. Leute im Sachsenwerk gegen zu freche Kommunisten in Okrilla: Ricinus u. Spießrutenlaufen durch Gummiknüttel. Wenn Italiener so etwas tun – na ja, Analphabeten, südliche

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