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Klick mich: Bekenntnisse einer Internet-Exhibitionistin (German Edition)

Klick mich: Bekenntnisse einer Internet-Exhibitionistin (German Edition)

Titel: Klick mich: Bekenntnisse einer Internet-Exhibitionistin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Schramm
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Mund jedoch versiegelt ist in den entscheidenden Momenten, ist der Preis, den ich eigentlich nicht zu zahlen gewillt bin. Lauter versäumte Gelegenheiten im Nachhinein. Und es fühlt sich so an, als ob das nur mir passieren würde. Im Chat dagegen kann man so perfekte Aussagen machen. Oder in Mails. So wie ich das, was ich hier schreibe, niemals sagen könnte.
    Zum Glück dauert es keine Postkutschenewigkeit mehr, bis du meine Nachricht bekommst. Oder ist das auch wieder ein Problem? Wären wir in den Tiefen des Schwarzwalds unbedarfter? Doktorspiele kenne ich auch nur aus diversen Medien und weiß, dass man die gemacht haben sollte. Ich habe nur meine Barbies Doktor spielen lassen. Vorbild waren meist Filme, die ich immer aus Zufall sah. Vielleicht war ich auch deswegen in meinem Leben mehr in fiktive als in echte Menschen verliebt. Und die echten Menschen machte ich fiktiv. Ich stellte mich ihnen nicht, sondern bastelte Fiktionen in meinem Kopf, basierend auf den Menschen, die ich traf. Ich projizierte meine Wünsche und meine eigene Person auf das Gegenüber. Die Menschen wurden somit zu Romanfiguren in meinem Kopf, nicht zu echten Gefährten. Fiktion ist angenehmer als die Welt, weil Fiktion sinnvoll ist und logisch. Fiktive Menschen nerven nicht mit echten Macken, eigenem Willen und Persönlichkeit. Sie sind so, wie ich das will; sie verhalten sich so, wie ich will, und sie sagen, was ich will. Ich wünsche mir, dass es mit dir nicht nur in meinem Kopf ist.
    Einfach so.
    Diese Zeilen schreibe ich dem Mann, dessen Namen ich mich nicht traue auszusprechen, geschweige denn zu schreiben. Das ist so ein Mister-Big-Ding. Ich starre auf den Knopf, der diese Nachricht aus meinen Hän den gleiten lassen wird. Meine Nasenflügel beben. Ich schließe die Augen und klicke mit einem Finger die Nachricht in seine Hände. Wann er sie wohl lesen wird? Und beantworten!
    Verlegen schaue ich auf seinem Facebook-Profil, wann er das letzte Mal etwas gepostet hat. Vom Festrechner oder vom mobilen Endgerät? Sein Nutzungsverhalten habe ich bereits ausgespäht. Wann postet er was? Welche Arten von Nachrichten? An wen? Schon leicht zwanghaft erneuere ich seine Profilseite, gucke auf Twitter und seinen Status bei Jabber .
    Oh je, er hat eine Nachricht bei Twitter gepostet! Meine Nerven kommen in Wallung. Ich kann an den Kurznachrichten erkennen, ob er an seinem Laptop oder am mobilen Endgerät sitzt, denn er nutzt unterschiedliche Clients . ( Echofon auf dem mobilen End gerät, um die 140 Zeichen in die Welt zu werfen. TweetDeck dagegen am Laptop.) Diesmal steht TweetDeck unten ganz klein am Rand der Kurznachricht. Er ist also zu Hause, er muss die Mail gesehen haben. Und er könnte unkompliziert antworten. Meine Atmung wird schneller. Was er wohl jetzt denkt? Hat er die Zeit gehabt, sie ganz zu lesen? Wenn sie ihm zu lang war, kann das ja nur heißen, dass er mich nicht wirklich mag! Wieso lässt er nicht alles stehen und liegen? Ich lese alle seine E-Mails sofort, nur um dann Tage später zu antworten, dass ich leider erst jetzt zum Antworten komme. Dieses soziale Spiel gilt für mich und meinen von Frauenklischees geimpften Geist, aber für ihn? Ich aktualisiere meinen Posteingang im Minutentakt. Keine Antwort.
    Da! Plötzlich! Er antwortet auf einen Tweet . Ich erstarre kurz. Mein Herz schlägt bis zum Hals, das Adrenalin schießt durch meinen Körper. Wieso tut er das? Er muss die Mail doch gesehen haben! Wieso antwortet er nicht auf diese, sondern schreibt irgendeinen Blödsinn auf meine noch viel blödsinnigere Kurz nachricht? Vielleicht hat er die Mail nicht gelesen? Ob sie überhaupt angekommen ist? Vielleicht ist sie im Spam -Ordner gelandet oder er hat so viele Mails, dass er meine übersehen hat! Ach, das ist doch verrückt. Bestimmt hasst er mich nach dieser peinlichen und episch langen Ansage. Wie auch nicht? Die folgenden Stunden bin ich in Gedanken permanent bei meinem Postfach und körperlich unter Dauerstress. Mit jedem Vibrieren meines mobilen Endgeräts erwarte ich eine Antwort. Er wird mir nicht antworten, er muss mich für eine komplett irre Person halten! Jetzt bloß nichts mehr twittern. Irgendwas tun, was impliziert, dass ich nicht auf den kleinen Monitor starre. Er wird sich nicht melden, da bin ich mir sicher. Wieso antwortet er nicht? Verdammt. Das kann ihn doch nicht kalt lassen. Jetzt ist er offline gegangen! Ohne etwas zu schreiben! Verdammt, ich hätte das nicht schreiben dürfen. Das ist doch albern! Was

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