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Klingenfieber: Roman (German Edition)

Klingenfieber: Roman (German Edition)

Titel: Klingenfieber: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias O. Meißner
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begann, und wo sie beide endeten und der Umriss der Sonne seinen Anfang nahm.
    Sie stillte seine vielfältige Neugier und erlaubte ihm sehr viel. Ihr Kosewort für seine Männlichkeit war »dein Schwert«, und er nannte sie »mein Mädchen«, obwohl sie zwölf Jahre älter und erfahrener war als er.
    Tagsüber gehörten sie einander, abends und nachts ertrug er, wie ihre Kunden sich an ihr zu schaffen machten, und er ertrug es, weil er wusste, dass der Nacht ein neuer Tag folgen würde, an dem sie wieder die Seine war.
    So wurde die Klingentänzerin Erenis in seinem Herzen kleiner und unbedeutender, er hörte auf, tagsüber nach ihr zu fahnden.
    Sie hatte ohnehin nie für ihn getanzt, sondern immer nur für die, die sie tötete.
    Vielleicht war, dass sie ihn verschont hatte, bereits die höchste Form von Zuwendung, der Erenis überhaupt fähig war.
    Vom Rand der Zeltstadt hatte sie aus einem lederumzäunten Pferch ein Höckerpferd entwendet und mühte sich auf diesem nach Norden. Die weiche, schwankende Gangart war ihr unvertraut, aber immerhin war das Tier genügsam und ließ sich leicht lenken. Wer wie sie schon als Kind auf Pferden geritten war, kam auch mit anderen Reittieren einigermaßen zurecht.
    In der Oase, wo man den fremden Menschen mit den zwei blutbeschrifteten Schwertern beinahe abergläubisch am Wasser teilhaben ließ, hatte man ihr den Berg der Masken beschrieben. Eine Formation drei Tagesreisen nördlich von Brendin Grya, die von den Bewohnern dieses Landstrichs, die sich in verschiedene einander beargwöhnende Wappenstämme unterteilten, gemieden wurde, weil dort angeblich die Geister der Verdursteten ihr wütendes Unwesen trieben. Und Schlimmeres.
    Erenis hatte der Versuchung widerstanden, um das Wasser zu kämpfen. Die Männer der Oase hatten sie unverhohlen gemustert, nachdem sie erkannt hatten, dass unter dem blutig zerschlissenen Kaftan eine Frau steckte. Aber die Schnittwunden und Prellungen, welche die Verfechter ihr zugefügt hatten, sollten nicht schlimmer werden, sondern langsam ausheilen, je näher sie dem Berg kam, und ihr linkes Ohr versagte manchmal und hörte nichts mehr außer einem hellen Pfeifton, sodass sie Schwierigkeiten mit ihrem Gleichgewicht bekam. Also bezähmte sie sich und nahm die Gastfreundschaft an, die womöglich mit der Hoffnung auf körperliche Zuwendungen verbunden war, aber das brauchte sie nicht zu scheren. Wasser war immer Wasser, egal, was jemand sich als Gegenleistung erträumte.
    Allein und abseits versorgte sie ihre Wunden. Sie war zuversichtlich, dass ihr Körper das alles gut verkraften würde. Sämtliche Klingentänzerinnen verfügten über ausgezeichnetes Heilfleisch, dafür hatten die Ernährung und die Salbungen gesorgt, die Ugon Fahus ihnen während ihrer körperlichen Entwicklung unablässig hatte angedeihen lassen.
    Ugon Fahus.
    Bald würde sie ihm erneut gegenüberstehen. Ihm, der ihren Körper geschaffen hatte, fast mehr als ein leiblicher Vater. Der ihn geformt hatte zu einem Instrument, das ausschließlich stählerne Melodien beherrschte. Zu welchem Zweck nur? Damit Männer sich an diesem dann unter Drogen gesetzten Instrument ungefährdet vergreifen durften? War das denn wirklich all diese Mühen wert gewesen? Und war allein dies sogut bezahlt worden, dass sich eigens dafür die Einrichtung und Unterhaltung einer Schule lohnte?
    Sie verstand es nicht. In der Hitze verdunsteten ihre Gedanken wie Tau auf flachen Steinen.
    Ein leichter Sandsturm kam auf. Die Wüste schien sich zu erheben und sie zu umtanzen, zu umgarnen und raspelnd zu streicheln. Der Wind, der die Spitzen der Dünen abschliff, sang auf ihnen Klagelieder. Wiegende Bewegungen rundherum. Ein Jaulen und Trillern fast wie von weiblichen Gespenstern oder von ihrem beschädigten Ohr. Erenis verhüllte annähernd ihr ganzes Gesicht mit dem Kragen des Kaftans. Das Höckerpferd schien unbeeindruckt. Es war ein beinahe zärtlicher Sturm.
    Orientieren konnte sie sich nachts an den Sternen und tagsüber an den Formationen mächtiger Dünen, die sicherlich nicht so schnell wandern konnten wie kleinere.
    Einmal begegnete sie Tieren. Es waren große Laufvögel mit Stacheln, die Köpfe beinahe so hoch wie ihrer auf dem Höckerpferd. Die Vögel ähnelten Kakteen, und tatsächlich kam sie kurz darauf an einem blühenden Kakteenfeld vorüber. Sicherlich gab es hier draußen mehr Wunder als in den von gleichförmigen Dörfern wie von Geschwüren überwucherten Ländereien.
    Auch die Farben waren

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