Klingenfieber: Roman (German Edition)
ausgesprochen faszinierend.
Sie besaß verschiedene, auch sehr seltsame, sicherlich unbequeme Kleidungsstücke, die sie je nach den Wünschen ihrer Kunden an- und dann auch wieder ablegte. In der Kutsche hatte er nie darauf geachtet, welches der Gepäckstücke Elirous gewesen war, aber es musste gewiss der geräumigste der Koffer gewesen sein.
Die Kunden wollten nicht alle dasselbe. Einige wollten nur reden, einige von ihr geohrfeigt werden. Einer war dabei, der wollte, dass sie nackt gegen ihn ein strategisches Brettspiel spielte. Er sagte, nur gegenüber einer nackten Frau könne er sich wirklich gut konzentrieren, und wenn sie nicht gut spielte, schimpfte er sie aus. Da dieser Kunde immer wiederkam, übte sie sich geflissentlich gegen Stenrei in diesem Spiel.
Einer wollte, dass sie auf seinem Rücken ritt, und tollte dabei auf allen vieren durch das Zimmer, bis er die Trennwand umstieß. Er war sehr peinlich berührt, als er dahinter einen Jungen entdeckte, und ergriff Entschuldigungen haspelnd die Flucht.
Einer wollte, dass sie ihn in einer fremden Sprache lobte, während er sie beschlief.
Ein anderer, dass sie es ihm mit dem Mund machte, während ihre Hände hinter ihrem Rücken gefesselt waren. Bei diesem Kunden war Elirou ganz besonders froh über Stenreis Anwesenheit hinter der Trennwand, und Stenrei hielt die ganze Zeit über die schwitzende Hand am Schwertknauf, die Lippen zu einem schmalen Strich gepresst.
Unter den Tagen – wenn sie für sie beide kochte, sie das Strategiespiel übten oder sie gemeinsam aßen oder sich gegenseitig in einem Waschzuber schrubbten – erzählte sie ihm von sich.
Ihre Eltern hatten in der Hochstadt Schulden gemacht und sie bereits im Alter von dreizehn Jahren an einen wohlhabenden Mann verheiratet. Zwei Jahre lang hatte sie auf dessen Anwesen das Leben einer Fürstin geführt, bis er sich eines Tages beim Versteckenspielen im Park ans Herz fasste und tot zusammensackte. Ein Jahr lang hatte sie dagegen angekämpft, dass seine grauenhaften Verwandten sich sein ganzes Vermögen unter den Nagel rissen, aber vergebens. Immer noch minderjährig, war sie nur knapp der Anklage gekommen, ihren Ehemann durch körperliche Erschöpfung umgebracht zu haben, und fand sich mittellos auf der Straße wieder. Die einzige Arbeit, die man der kurzzeitigen »Fürstin« umstandslos angeboten hatte, war die in einem Bordell gewesen. Dort hatte sie, wie sie sagte, »schnell alles gelernt, was ein Mädchen im Leben wissen muss«. Die Arbeit bei »Tante« Ionie, wie sie sie nannte, war nicht besonders schlimm gewesen. Elirou hatte sich sogar darauf spezialisieren dürfen, die Kunden einzig mit ihren jugendlichen Händen zu verwöhnen. Und da Tante Ionie nicht alles einbehielt, was die Mädchen in ihrem Haus verdienten, hatte sie ganz gut verdient, »besser jedenfalls als eine Wäscherin, die sich den ganzen Tag für einen Hungerlohn krummmachen muss«, hatte nach zehn Jahren ihren Anteil an den elterlichen Schulden abbezahlen können und sich dann, einfach nur, um sich zu verändern, vor zwei Jahren »selbstständig« gemacht. Der Ausflug nach Brendin Grya war eine Mischung aus Erlebnisreise und dem Erschließen neuer Einkommensquellen.
»Aber du bist sicherlich auch nach Brendin Grya gekommen, um die Festspiele zu sehen«, bemerkte Stenrei, »und nun bekommst du so gut wie nichts davon mit.«
»Oh, ich habe mir die Runde des Volkes angeschaut, das hat mir schon genügt. Ich habe dich da unten kämpfen gesehen und dich angefeuert, aber irgendwann wurde es ein viel zu großes Kuddelmuddel, und ich hatte den Eindruck, der Einzelne hat gar keine Möglichkeit mehr, sich durchzusetzen. Das hat mir nicht so gut gefallen. Also habe ich mir die weiteren Wettkämpfe einfach erspart.«
»Ich mir auch«, sagte Stenrei mit theatralisch hängendem Kopf, und sie mussten wieder beide lachen.
Und dann, am fünften Tag ihres Beisammenseins, beim hellsten Licht der Sonne, schlief sie mit ihm. Das war sein erstes Mal, und es war ganz anders, als er es sich vorgestellt hatte.
Immer wieder tauchte Erenis vor seinem inneren Auge auf. Ihre Härte und Festigkeit, ihr unduldsames Gesicht, ihr vom Leder eng zusammengezurrter Leib. Aber Elirou war ganz anders. Alles an ihr war weich und warm und feucht und nachgiebig und willkommenheißend und duftete, ihm war, als würde er in einer köstlichen Speise rühren, in ihr versinken, in ihr aufgehen, zu ihr beitragen, bis er nicht mehr wusste, wo er aufhörte und sie
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