Klingenfieber: Roman (German Edition)
werden.
Der Tag in Brendin Grya kam ihm gleißender vor als alle Tage, die er bisher erlebt hatte, die Luft roch nach Marktabfällen und einem sehr scharfen Gewürz, das aus bläulichen Schoten gewonnen wurde.
Auch in Elirous Kammer roch es sehr stark, aber nach Leiblichkeit. Ein säuerlicher, salziger, aufwühlender Duft, der nur notdürftig durch ein paar Blumenwässerchen kaschiert wurde, die Elirou in Schälchen aufgestellt hat.
Hinter der Trennwand war ein karges Bett, in dem Stenrei es sich erst mal bequem machte, weil er sich nach wie vor ausruhen sollte. Elirou kümmerte sich ums Essen, sang die ganze Zeit vor sich hin, schlief noch einmal ein paar Stunden in ihrem weniger kargen Bettchen jenseits der Trennwand, richtete sich her und begann des Abends ihre Arbeit. Als Stenrei sich erbot, das Zimmer zu verlassen, sagte sie ihm lächelnd, er solle einfach hinter der Trennwand bleiben. Sie würde sich sicherer fühlen mit ihm in der Nähe.
In dieser ersten Nacht mit Stenrei im Raum verwöhnte Elirou fünf Kunden. Die meisten von ihnen bemerkten gar nicht, dass noch jemand anwesend war, aber einer machte dauernd Sprüche über den »Zaungast«, und ob er auch »ordentlich Hand an sich« lege. Stenrei verging beinahe vor Scham, zumal die Geräusche von Elirous Betätigungen ihn tatsächlich sehr erregten. Am liebsten wäre er doch noch aus dem Raum gestürmt, wagte es aber nicht, sich bemerkbar zu machen und dabei womöglich einen Blick auf das eifrig beschäftigte Pärchen erhaschen zu müssen.
Er dachte daran, was Erenis wohl denken würde, wenn sie wüsste, wie er hier wohnte.
Gleichzeitig fand er es atemberaubend und unwirklich, so zu leben. Sein Dasein hatte sich auf das Unglaublichste verändert, seit er Bosel verlassen hatte. Selbst Llender Dinklepp hatte sicherlich noch nie mit einer Hure zusammengewohnt, und nicht nur das: sondern auch noch auf sie aufgepasst.
Nach dem vierten Kunden kam Elirou mit roten Wangen und verschwitztem Haaransatz zu Stenrei hinter die Wand und erkundigte sich: »Geht es? Ich jedenfalls fühle mich viel, viel ruhiger so.«
»Ja. Ich … muss mich noch gewöhnen. Aber es wird schon.«
»Und ich reiße mich schon so zusammen! Ich kann nämlich noch viel, viel lauter sein!« Sie lachte. Ihr Beruf schien ihr überhaupt nichts auszumachen. Schon bald klopfte es wieder, und der letzte Kunde dieser Nacht wurde eingelassen.
Stenrei schlief lange in den Tag hinein, da es in der Nacht einfach zu umtriebig im Zimmer gewesen war. Der Raum roch jetzt auch nach Männern, das war das einzige Unangenehme daran.
Er ging hinaus, um sich die Beine zu vertreten, die Sonne war schon im Nachmittag begriffen. Brendin Grya feierte immer noch seine Festspiele, aus dem Oval erklangen abwechselnd Waffenklirren, Jubel und Fanfaren. Der ganze Ort war geschmückt mit aus gefärbtem Pergament ausgeschnittenen Schwertern, dornenrankigen Wüstenblumengebinden, Flaggen mit den Wappenzeichen verschiedener Gegenden aus den Offenen Ländern sowie den zerschlissenen Lederrüstungen und Kettenpanzern früherer Turniersieger, die wie ihrer Gliedmaßen beraubte Vogelscheuchen an Kreuzmasten hingen. Es gab sogar aus Zucker gebackene Klingenwaffen zum Lutschen.
Stenrei ertappte sich dabei, wie er all dies ignorierte und sich stattdessen nach Erenis erkundigte. Aber niemand hatte eine Frau gesehen, auf die Stenreis Beschreibung zutraf. Und er konnte sich nicht vorstellen, dass jemand, der sie gesehen hatte, sich hinterher nicht mehr daran erinnern konnte.
Wo war sie? Hatte sie Brendin Grya sofort verlassen, nachdem Hektei gestorben war? Das war gut möglich, denn schließlich war Hektei der einzige Grund gewesen, weshalb Erenis überhaupt hierher gereist war. Aber warum hatte sie ihm denn dann nicht immerhin Bescheid gegeben? Hatte sie es vielleicht sehr eilig gehabt und ihn in dem Verwundetenlager einfach nicht gefunden? Stenrei war nach wie vor willens, die Dinge zu ihren und ihrer beider Gunsten auszulegen.
Dennoch war Erenis jetzt fern. Wie eine aufregende Erinnerung.
Ermattet von der Sonne kehrte er zu Elirou zurück, legte sich wieder in sein Bett hinter der Trennwand und begann nun ganz offiziell und ohne in Gedanken pausenlos zu Erenis abzuschweifen seine Zeit mit dem käuflichen Mädchen. Erenis, da war er sich sicher, würde schon eines Tages wieder auftauchen. Sie zu finden, sie auch nur zu verfolgen, war in seinem angeschlagenen Zustand einfach nicht machbar.
Das Leben mit Elirou war
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