Klotz Und Der Unbegabte Moerder
dünnen Träger des Lingeriekleids in die Spitzen übergingen.
»Hallo, Leonie, was gibt’s?«
Die Sekretärin hatte sich wieder aufgerichtet und war nun damit beschäftigt, ihr cremefarbenes Kleid im Hüftbereich nach unten auszustreichen. Klotz bemerkte die rosafarbenen Fingernägel. Während sie an sich nach unten schaute, sah er auf ihren Hals, und ihm fiel ein, dass diese Frau ihm einmal ein Angebot gemacht hatte, auf das er bis heute nicht eingegangen war.
»Haben Sie schon die Nachricht gelesen, die ich Ihnen auf den Schreibtisch gelegt habe?«
»Nein, ich war heute noch nicht im Büro.«
Leonie Zangenbergs Gesicht nahm einen besorgten Ausdruck an. Sie sah leicht zur Seite, und ihre großen roten Lippen verzogen sich etwas. Vage begriff Klotz, dass die Sekretärin ihn mochte. Mehr mochte, als es unter Kollegen üblich war.
»Hm«, begann sie unsicher, »also, der Polizeipräsident. Sie sollen sich umgehend beim Polizeipräsidenten melden. Es geht um den Vorfall von heute Morgen.«
Klotz’ neutrale, indifferente Stimmung schlug ein wenig in den Negativbereich aus.
»Soso. Der große Huber will mir also den Kopf waschen.«
Er schlenderte in eine dunkle Ecke. Leonie Zangenberg hatte beide Arme nach oben genommen und nestelte an irgendwelchen Haarklammern herum. Klotz bemerkte einen süßlichen Duft, der von der Sekretärin zu ihm herüberströmte und dem irgendwie etwas Billiges anhaftete. Er war überrascht, dass ihn dieses Billige gar nicht störte, im Gegenteil.
»Das soll er mal machen«, stieß Klotz hervor, »bei der Gelegenheit kann ich ihn dann auch gleich mal fragen, wie sich das der Freistaat Bayern so denkt, wie man mit einem Dienstwagen aus der Steinzeit und einer Technik von vor ‘45 eine halbwegs ordentliche Ermittlungsarbeit zusammenbringen soll!«
Er hatte das defekte Blaulicht auf dem Overheadprojektor abgelegt.
»Bevor ich nicht einen neuen Dienstwagen und ein neues Blaulicht bekomme, werd ich den Teufel tun!«
Klotz hatte den Projektor eingeschaltet. Ein blauer Lichtschein leuchtete ihn von unten an und ließ seine Miene halb drollig, halb bedrohlich erscheinen. Leonie Zangenberg war im ersten Moment von der grotesken Maskenhaftigkeit, die Klotz’ Gesicht plötzlich ausstrahlte, ein wenig erschrocken.
»Also, Herr Hauptkommissar«, begann sie vorsichtig, »wegen des Wagens werd ich mal nachfragen. Und das mit dem Blaulicht: Ich glaub, die gibt’s inzwischen sogar im Baumarkt. Hab ich neulich bei OBI gesehen, wenn ich mich nicht völlig irre.«
Klotz war gerührt.
Er hatte sein Büro auf der Südseite des Gebäudes aufgesucht. Schon eine ganze Weile saß er regungslos da und bemerkte mit stoischer Ruhe, wie das Schweißwasser zwischen dem Kunstlederbezug des Sessels und Rücken, Gesäß und Oberschenkeln unablässig zunahm. Über dem Rollschrank war eine Dartscheibe angebracht, in der einsam ein Pfeil in der Dreizehn steckte. Daneben, auf einer sonnenbeschienenen Fensterbank, dümpelte ein unrettbar verlorener Ficus Benjamini vor sich hin, besser gesagt, dessen Gerippe. Um den Übertopf herum lagen vertrocknete Blätter.
Er war aufgestanden. Über den Dächern der Stadt flimmerte es. Unten vor der Jakobskirche stakste auf hochhackigen Schuhen eine dunkelhaarige Frau vorbei. Klotz fiel ihr enganliegendes, fliederfarbenes Bustier auf und dass sie an einem Eis leckte. Plötzlich blieb die Frau unvermittelt stehen. Die Kugel war von der Eiswaffel gefallen, direkt in ihren Ausschnitt hinein. Klotz musste lauthals auflachen, als er sah, wie die schmelzende Kugel zwischen den Brüsten der Frau verschwand. Schnell griff sie an die Unterseite ihres Bustiers. Eine neongrüne Eiskugel klatschte auf das Pflaster. Für einen Moment überlegte Klotz, wie sich die Kugel während der soeben durchlebten Erfahrung wohl gefühlt haben musste, dann drehte er sich um und setzte sich wieder an seinen Schreibtisch. Für heute hatte er von runden Formen und Kugeln genug.
Klotz kramte in seinen Hosentaschen. Die Quittung für Frederiks Handy warf er Lady Gaga ins Gesicht, die auf dem Cover eines »Rolling Stone Magazine« prangte. Dann förderte er die beiden Briefumschläge zutage, die er bei Cordes hatte mitgehen lassen. Er öffnete zunächst den etwas dickeren Umschlag. Der Brief enthielt Kontoauszüge. Klotz staunte ein wenig, als er erkannte, dass eine Studienrätin vom Freistaat wesentlich besser bezahlt wurde als er selbst, konnte aber ansonsten nichts Auffälliges feststellen. Da gab es
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