Klotz Und Der Unbegabte Moerder
Klotz das Konferenzzimmer verließ, fiel ihm auf, dass Escherlich wieder eines dieser T-Shirts trug, auf denen irgendein provokanter Spruch zu lesen war: »Keine Auskunft«. Wie alt war der Kerl eigentlich? So langsam sollte der sich mal von seinem Berufsjugendlichentum verabschieden. So würde der nie bei den Frauen landen.
Die Konturen der Stuckdecke waren insgesamt nur wenig betont. Das lag wohl an den vielen Farbschichten, mit denen sie im Laufe der Jahre übermalt worden war, dachte Klotz, nachdem er den Deckenfluter eingeschaltet hatte. Zwischen aufeinandergestapelten Umzugkartons spitzten die dunkelgrünen Blätter eines Gummibaums hervor, die in einem letzten Augenblick noch von einer untergehenden Sonne beschienen worden waren. Klotz setzte sich wieder auf den Boden, um die Rolling-Stone-Hefte zu sortieren, die er unverhofft in seinem Kellerabteil am Norikus gefunden und gleich mit hierher gebracht hatte. Was über die Zeit in einem Keller alles so verschüttgehen konnte. Unglaublich .
Aus der Küche drangen Geräusche von klapperndem Besteck und Geschirr. Irgendetwas Metallenes war auf den Boden gefallen. Klotz konzentrierte sich auf seine Hefte. Auf der Dezemberausgabe von 1996 war Pam Anderson im Nikolauskostüm abgebildet. Dieses Kostüm. Irgendwie mahnte es ihn an eine Uniform. Und die beiden unechten Melonen, die Frau Anderson beinahe aus dem Weihnachtsmannkittel fielen, erinnerten ihn an die zwei güldenen Sterne, die auf Hubers Schulterklappen prangten und die er mit seinem Blick fixiert hatte, während ihm der Polizeipräsident die Leviten gelesen hatte. Diesmal war die Situation wirklich ernst, das spürte Klotz. Diese Suspendierung vom Dienst, die ihm Huber da angedroht hatte, konnte durchaus vollzogen werden. Wenn der Beamte, der Klotz heute Morgen festgenommen hatte, seine Anzeige nicht zurückziehen würde, dann könnte das ernsthafte Folgen haben. Polizeimeister Jürgen Bayer bezichtigte Klotz der Beleidigung und des Widerstandes gegen die Staatsgewalt. Pfff, wenn man schon Bayer hieß – warum versah der feine Herr seinen Dienst eigentlich nicht in München und Umgebung? Auf solche Schmierlappen konnte man in Nürnberg gerne verzichten. Bayer! Du kannst nach Hause gehen!
Auf einem anderen Cover war Madonna zu sehen. Sie hatte eine dicke Zigarre im Mund. Na ja, irgendwie hatte er das dann auch schon begriffen, dass man sich vielleicht besser bei diesem Polizeimeister Bayer entschuldigen sollte. Huber hatte ihm schnaubend die Karte des »Kollegen« hingeworfen und befohlen, den Vorfall so schnell wie möglich aus der Welt zu schaffen. Klotz hatte nur kleinlaut genickt. Das war’s. Hauptsache, er hatte diesen Gang nach Canossa hinter sich gebracht, sonst würde er nicht schlafen können, das wusste er.
Der Dielenboden knarrte. Plötzlich stand Melanie in der Tür. Sie trug immer noch ihr violettes Top und sah darin ziemlich verschwitzt aus. Ihr zu einer Schnute verzogener Mund drückte eindeutig Unmut aus. Klotz bemerkte, dass ihr diese Mischung aus Unzufriedenheit und Verschwitzt-Sein außerordentlich gut stand.
»Sag mal! Ich glaub, dass du nicht ganz frisch bist! Ich racker mir da in der Küche einen ab, und der Herr sortiert seine dämlichen Musikmagazine. Ich glaub, es geht los!«
Klotz schwieg. Gleich würde er aufstehen, würde zu ihr rübergehen, würde sie in die Arme nehmen und küssen. Und dann würden sie das neue Klappsofa einweihen, so wie es sich gehörte. Vorher griff er sich noch dieses Heft, auf dem die Gallagher-Brothers abgedruckt waren, und legte es auf Madonnas anzüglichen Gesichtsausdruck.
Als er schon aufgestanden und beinahe bei Melanie angelangt war, warf er noch einmal einen Blick zurück. War da nicht etwas Grünes gewesen? So ein ganz vertrautes Grün unter dem Heft? Dieses Grün, das genau der Farbe ihrer Ermittlungsakten entsprach? Ganz von ferne her dämmerte es Klotz, dass da zwischen seinen Magazinen vielleicht diese beiden Akten schlummerten, die er vor drei Jahren verloren geglaubt hatte. Aber das war jetzt auch egal. Er packte Melanie an den Hüften.
Tag zwei
»Das mache ich auf keinen Fall!«
»Und wie Sie das machen, Herr Klotz!«
Die Perlenkette im weißen Satinausschnitt ihres Blazers wippte gefährlich hin und her, als Staatsanwältin Gulden einen resoluten Schritt nach vorn tat, um ihrem schwierigsten Beamten kräftig in die Augen zu funkeln. Haevernick und Escherlich blickten betreten zur Seite. Die Demütigung, die ihr Vorgesetzter an
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