Klotz Und Der Unbegabte Moerder
die üblichen Daueraufträge: Miete, Strom, Wasser, GEZ , Internet und Telefon, die Ratenzahlung an ein schwedisches Möbelhaus, die Abzahlung eines Kleinkredits und zu guter Letzt eine Spende an den SOS -Kinderdorf e. V . Gegen Monatsende war der Kontostand drei Tage lang ein wenig in den Dispo gerutscht, das war’s. Irgendwelche verdächtigen Geldbewegungen konnte Klotz nicht entdecken. Er legte die Auszüge beiseite und nahm sich den hellgrünen Umschlag der Privatklinik vor. Er enthielt eine Zahlungserinnerung über einen Betrag von knapp dreitausend Euro. In diesem Zusammenhang wurde lediglich auf eine Rechnungsnummer verwiesen, ein sonstiger Verwendungszweck war nicht angegeben. Klotz sah sich noch einmal den Absender an. Neben dem Foto eines lächelnden Babys prangten in einem geschwungenen Schriftzug die Lettern »Praxis Kinderwunsch«. Gar nicht so weit weg, dachte Klotz, als ihm wieder eingefallen war, wo sich die Stöpselgasse befand.
Kinderwunsch – Kinderpunsch, assoziierte Klotz, dem manchmal sowohl eine gewisse Sensibilität als auch ein funktionsfähiges Über-Ich zu fehlen schienen. Da heute noch hinlaufen? Am Schluss ist keiner da, und überhaupt: Er hatte heute schon genug geschwitzt. Er nahm also den Telefonhörer in die Hand.
Nachdem er die Sprechstundenhilfe von der Wichtigkeit seines Anrufes hatte überzeugen können, landete er schließlich beim Leiter der Klinik.
»Dr. Anton Sibelius«, meldete sich eine näselnde Stimme.
»Klotz hier, Kripo Nürnberg. Sagen Sie, Herr Dr. Sibelius, bei Ihnen war oder ist ein Ehepaar Cordes in Behandlung. Ist das richtig?«
Einige Sekunden Stille, keine Antwort.
»Herr Dr. Sibelius?«
»Ja, ja, äh, entschuldigen Sie. Wie war noch mal der Name?«
Klotz hatte den Eindruck, als hätte er den Klinikleiter bei irgendwelchen tiefschürfenden Reflexionen gestört.
»Cordes. Linda und Paul Cordes.«
»Hm, ja. Also, es tut mir leid, aber ich darf Ihnen da leider keine Auskunft geben.«
»Herr Sibelius«, Klotz bemerkte, dass er den Titel vergessen hatte, »Herr Doktor, es geht um Mord. Linda Cordes wurde heute Morgen Opfer eines Gewaltverbrechens.«
»Das ist ja … schrecklich!«
Die Anteilnahme war so dermaßen offensichtlich geheuchelt, dass es schon wieder verwunderte, wie jemand so unverhohlen falsch sein konnte. Irgendwie ja auch anerkennenswert, seine Scheinheiligkeit mit so viel Ehrlichkeit zu unterlegen, dachte Klotz und führte das Gespräch fort.
»Das ist es wohl. Es würde uns bei den Ermittlungen sehr helfen, wenn wir wüssten, warum das Ehepaar Cordes Ihre Klinik aufgesucht hat.«
»Es tut mir leid, wenn ich mich in diesem Zusammenhang auf meine ärztliche Schweigepflicht berufen muss.«
Dieser Sibelius war nicht nur völlig empathiefrei, sondern auch noch resistent gegen die rein formellen Höflichkeitsbekundungen der Kriminalpolizei. Klotz musste einsehen, dass hier nur die Mit-dem-Kopf-durch-die-Wand-Methode greifen würde.
»Hören Sie! Frau Cordes ist tot. Vielleicht haben Sie das nicht begriffen, oder Ihnen ist das einfach scheißegal. Möglicherweise haben Sie auch nur keine Lust, jetzt um zehn vor acht noch irgendwelche Akten herauszusuchen und mir entsprechende Auskünfte zu erteilen. Das mag ja alles sein. Aber ich schwöre Ihnen, dass meine Kollegen von der Steuerfahndung oder die Beamten von der Abteilung Wirtschaftskriminalität liebend gern mal einen Termin bei Ihnen wahrnehmen würden, sobald sie einen entsprechenden Hinweis erhalten!«
»Wollen Sie mich etwa er–?«
»Die Infos! Jetzt und hier und sofort!«
»Bitte warten Sie einen Moment.«
Klotz vernahm das Klacken eines Telefonhörers, der zur Seite gelegt wurde. Im Hintergrund das metallene Geräusch von Schubladen, die aus einem Rollschrank glitten. Klotz lehnte sich zurück und sah lächelnd in die Sonne. Wenn er noch Raucher gewesen wäre, hätte er sich jetzt eine Siegeszigarette angesteckt.
»Herr Klotz?«
»Ja.«
»Also. Das Ehepaar Cordes hat sich vor einem halben Jahr an unsere Praxis gewandt. Herr und Frau Cordes hatten seit geraumer Zeit vergeblich versucht, ein Kind zu bekommen. Unsere Untersuchungen ergaben, dass bei Frau Cordes lediglich noch ein Eierstock aktiv war, und selbst das nur äußerst mäßig. Daraufhin hat sich Frau Cordes einer entsprechenden Hormonbehandlung unterzogen.«
»Frau Cordes war noch keine dreißig, wie kann es sein, dass …«
»Premature ovarian failure.«
Klotz fühlte sich für einen Moment an die Deutsche
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