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Knapp am Herz vorbei

Knapp am Herz vorbei

Titel: Knapp am Herz vorbei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J.R. Moehringer
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Geschichte des Westens – das Ganze basiert auf einer wahren Begebenheit. Angeblich.
    Sie kommen an der Ecke Broadway und Battery Place vorbei.
    Canyon of Heroes, ruft Schreiber über die Schulter. Mir kommt es vor, als gäbe es dieses Jahr alle paar Wochen eine Konfettiparade. Natürlich für die Jets. Die Mets. Die Astronauten.
    Wenn jemand ein Held ist, sagt Sutton, überschütten sie ihn mit kleinen Schnipseln der Wertpapierbörse. Ziemlich aufschlussreich.
    Knipser lacht. Wir sprechen dieselbe Sprache, Willie.
    Sutton entdeckt noch Konfettireste in den Rinnsteinen. Er sieht wieder einen Penner, diesmal eingerollt wie ein Fötus. Ein Penner, der in Konfetti liegt, sagt er. Ein schönes Briefmarkenmotiv.
    Ich war bei jeder Parade dabei, sagt Knipser. Von Neil Armstrong hab ich
beaucoup
Aufnahmen. Toller Typ. Man sollte meinen, dass jemand, der eben auf dem Mond herumspaziert ist, eingebildet ist. Aber nein. Er ist richtig – ihr wisst schon.
    Auf dem Boden geblieben, sagt Sutton.
    Ja.
    Sutton wartet. Eins, zwei. Knipser schlägt aufs Lenkrad. Jetzt kapier ich’s, sagt er. Nicht schlecht.
    Alle reden von Armstrong und Aldrin, sagt Sutton. Aber der wahre Held auf diesem Mondflug war der dritte Mann, Mike Collins, der Ire auf dem Rücksitz.
    Genau genommen wurde Collins in Rom geboren, sagt Schreiber.
    Knipser sieht Sutton mit fragendem Blick an. Mike Collins? Der hat doch keinen Fuß auf den Mond gesetzt.
    Richtig. Collins war ganz allein in der Raumkapsel. Während seine Partner unten Steine sammeln waren, hat Collins das Steuer bedient und den Mond sechsundzwanzigmal umkreist – solo. Könnt ihr euch das vorstellen? Ohne jeden Funkkontakt. Ohne Möglichkeit, mit seinen Partnern zu reden. Oder mit der NASA . Er war von jeder Menschenseele im Universum abgeschnitten. Wäre er in Panik geraten, hätte Mist gebaut oder den falschen Knopf gedrückt, wären Armstrong und Aldrin aufgeschmissen gewesen. Und wenn ihnen ein Fehler unterlaufen wäre, wenn ihre Mondlandefähre versagt hätte, wenn sie das Ding nicht wieder in Gang gekriegt hätten, wenn sie nicht hätten abheben und die fünfundsechzig Kilometer zu Collins hätten zurücklegen können, dann hätte er mutterseelenallein zur Erde zurückfliegen müssen. Und hätte seine Partner dem Tod überlassen, denn ihnen wäre langsam die Luft ausgegangen, während sie in der Ferne die Erde gesehen hätten. Dass Collins allein zur Erde zurückkehrt, war eine so greifbare Möglichkeit, dass Nixon schon eine Rede an die Nation entworfen hatte. Collins ist wirklich ein eiskalter Steuermann. Ein Fahrer, wie man ihn sich bei einem Bankraub am Steuer eines vollgetankten Fluchtfahrzeugs wünscht.
    Schreiber blickt forschend auf den Rücksitz. Das klingt, als hätten Sie oft darüber nachgedacht, Mr Sutton.
    Im Knast hab ich alles über den Mondflug gelesen, was ich in die Finger bekam. Wir durften ihn sogar im Fernsehen sehen – mitten am Tag. Ein seltenes Privileg. In Hof D haben sie einen Apparat aufgestellt. Es war das erste Mal, dass sich schwarze und weiße Jungs nicht ums Fernsehen stritten. Alle wollten die Mondlandung sehen. Für manche von euch draußen war das wahrscheinlich eine selbstverständliche Sache. Aber im Knast konnten wir nicht genug davon kriegen.
    Warum?
    Weil der Mondflug die letzte Flucht des Menschen ist. Und weil die Astronauten sich in einem Sechstel der Schwerkraft der Erde bewegt haben. Im Knast hat man das Gefühl, dass die Schwerkraft sechsmal stärker ist.
    Die Autofenster sind beschlagen. Sutton wischt die rechte Scheibe frei und schaut zum Himmel. Er denkt an den Rückweg der Astronauten vom Mond – 400 000 Kilometer. Attica ist mindestens genauso weit entfernt. Er zündet sich eine Chesterfield an. Wie vermessen, sich mit den Astronauten zu vergleichen. Aber er kann nicht anders. Vielleicht liegt es an der Situation in einer Raumkapsel – zwei vorne, einer hinten, wie in den Fluchtautos, in denen er unterwegs war. Und obwohl er es nie laut aussprechen würde, nicht mal, wenn man ihn an den Daumen aufhängen würde, aber er sieht sich als Held. Genau deshalb chauffieren ihn die beiden jetzt durch den Canyon of Heroes.
    Canyon of Antiheroes.
    Was heißt das, Mr Sutton?
    Nichts. Wusstet ihr, dass Collins nach der Rückkehr der drei Astronauten einen Brief von dem einzigen Mann bekam, der wusste, wie absolut allein er gewesen war? Charles Lindbergh.
    Ist das wahr?
    Sie kommen in den Tunnel und fahren langsam unter den Fluss. Der

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