Knecht – Die Schattenherren II
so wichtig wie die Wünsche dieser Frau.
Es bedurfte keiner bewussten Anstrengung, auf die Kniezu fallen. »Niemand ist einsam in Eurer Nähe«, hauchte er. Er wagte nicht, aufzusehen. Ihre Füße machten kaum ein Geräusch auf dem Geröll des Bodens, aber ihr schwarzes Kleid raschelte. »Du bist der Letzte meiner Getreuen«, stellte die Stimme fest.
»Ja. Der Letzte.«
Sie stand so nah vor ihm, dass er sie bis zu den Knien sah, obwohl er den Blick auf den Boden gerichtet hielt. Das Kleid verhieß die Perfektion im sanften Schwung ihrer Waden, wie in allem, was sie ausmachte.
»Sieh mich an.«
Zitternd hob er den Blick. Ihre Schönheit war nicht warm, nicht, wie man das Feuer mancher junger Damen beschrieb, die man mit der Sonne verglich. Sie war wie ein Stern, unnahbar und kalt. Nein, nicht wie ein Himmelslicht. Wie die samtene Schwärze zwischen den Sternen, so war sie. Erhaben, ewig, unfehlbar, unbegreiflich.
»Ich beende deine Einsamkeit.«
Er nahm das Bild ihrer schimmernden Krallen, wie sie auf seinen Hals zuschossen, mit ins Nebelland. Er hätte versuchen können, auszuweichen. Er tat es nicht. Wie hätte es einen schöneren Tod geben können als den, der von einer solch wundervollen Hand gegeben wurde?
LAND
S o tief in der Finsternis trauten die Schattenherren keinem Sterblichen mehr, außer vielleicht jenen, von denen sie sich seit Jahren nährten und deren Wille völlig dahingegangen war. Solche apathische Gestalten wären aber als Wachen ungeeignet gewesen. In dieser Hinsicht unterschieden sich Menschen nicht von Hunden. Brach man ihren Willen, waren sie für den Kampf nicht mehr zu gebrauchen.
Daher waren es keine menschlichen Krieger, denen General Bren Stonner vor der Kammer der Unterwerfung begegnete. Hier unten, wohin selbst die höchsten Grade des Kults nurselten kamen, hielten Osadroi Wache. Baronets oder jungen Schattenbaronen, deren Abschied aus der Welt der Lebenden noch nicht länger als drei Jahrzehnte zurücklag, galt dies als Ehre, für die sie so manchen Gefallen im feinen, nichtsdestotrotz sorgfältig gepflegten Beziehungsgeflecht der Unsterblichen einzutauschen bereit waren.
Der Gang, der zehn Stockwerke unter der Erde durch den schwarzen Fels führte, war mit kunstvollen Halbreliefs verziert, aber so eng, dass man nicht genug Abstand gewinnen konnte, um die Bilder vollständig zu erfassen. Zwei Gerüstete hätten hier nur mit Mühe Schulter an Schulter gehen können. Vielleicht waren die überlebensgroßen Darstellungen dämonischer Wesenheiten auch nicht von Künstlerhand geschaffen. Selbst aus der Nähe entdeckte Bren keine Spuren von Meißeln. Wenn es aber die Jahrtausende gewesen wären, die sie abgeschliffen hätten, dann wären auch die Konturen verwischtworden. Die starrenden Augen, die scharfen Zähne und die schnappenden Klauen waren jedoch in ungemilderter Präzision zu erkennen. Auch das Material hatte Bren nirgendwo sonst gesehen. Schwarzer Stein, aber kein Basalt und auch kein Obsidian. Angesichts der besonderen Bedeutung der Kammer der Unterwerfung vermutete Bren deswegen, dass es sich um gebannte Unkreaturen handelte, die hier als erstarrte Wächter durch die Äonen Dienst taten, um auf ein Signal der Osadroi oder einen Gedanken ELIEN VITANS hin jeden zu zerreißen, der den Weg nahm, den Bren jetzt abschritt.
Erst kurz vor dem Tor, das durch eine fünf Schritt breite und ebenso hohe Wand aus nach oben wallendem, grauschwarzem Nebel verschlossen war, weitete sich der Gangzu einem Halbrund, in dem sich fünf Osadroi aufhielten. Die kopfgroßen Quarze, die hier wie schon im Gang fürmehr Schatten als Helligkeit sorgten, beschienen nicht nurdie bleichen Gestalten der Unsterblichen in ihren dunklenGewändern, sondern vor allem die blanken Silberklingen, die sie an offenen Gehängen trugen. Selbst Osadroi durften sich hier nur auf Geheiß des SCHATTENKÖNIGS aufhalten, und so war es eine stumme Warnung, das auch für dieUnsterblichen todbringende Metall unverhüllt zur Schau zu stellen.
»Ich bin …«, begann Bren.
»… der General der westlichen Dunkelheit«, unterbrach ihn ein Osadro mit schulterlangem, schwarzem Haar. Er legte die behandschuhte Faust um den Griff seines Silberschwerts. Bren wusste nicht, wie es geschmiedet worden war, eigentlich war Silber zu weich, um für Waffen zu taugen. Das spezielle Mondsilber aus Ilyjia, bei dessen Herstellung das Blut der Paladine im Wortsinne einfloss, konnte es aber auch nicht sein, sonst hätte es in unmittelbarer
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