Knight 02 - Stuermisches Begehren
verbeugte sich.
„Wie schön, Sie zu treffen, meine hebe Miss Montague!“ verkündete Marc, dem der Schalk aus den Augen blitzte.
„Also wirklich!“ schnaubte Roger, als Luciens Burschen sich um sie scharten und ihre drei Verehrer abdrängten.
„Unser gemeinsamer Freund ist gar nicht erfreut, dass Sie heute Abend hier sind“, flüsterte Marc ihr zu.
„Ist er hier?“ hauchte sie und erstarrte. „Wo denn?“
„Auf Beobachtungsposten“, erwiderte Kyle augenzwin- kernd. „Argusauge sei wachsam.“
„Was macht seine Verletzung?“ fragte sie leise, damit die Verehrer es nicht mitbekamen.
„Interessiert Sie das wirklich?“ spottete Marc.
Empört starrte sie ihn an. „Eigentlich ist es mir völlig egal. Wo ist der Schuft? Warum kommt er denn nicht selbst und redet mit mir?“
„Sie wissen genau, warum.“
Alice machte ein mürrisches Gesicht. Marc schaute zu der Galerie über ihnen hinauf. Sie folgte dem Blick diskret und nahm nur noch eine rasche Bewegung wahr. Lucien hatte sich in die Schatten zurückgezogen.
Marc betrachtete sie ernst. „Er hat mich gebeten, Ihnen et- was auszurichten: Verlassen Sie London. Kehren Sie sofort nach Glenwood Park zurück. Hier lauern überall Gefahren.“
„Bitte bestellen Sie ihm auch etwas: Er ist nicht mein Ehe- mann und hat mir überhaupt nichts zu sagen. Ich tue, was ich will.“
„Ganz schön kratzbürstig“, meinte O’Shea.
„Jetzt ist es aber genug, meine Herren“, verkündete Roger und schob sich energisch zwischen Kyle und Talbert. „Alice,
kommen Sie.“
„Ich muss doch sehr bitten“, begann Marc gerade empört, als Freddie mit dem Spazierstock genau auf Marcs Brust zielte.
„Fort mit Ihnen.“ Er stupste Marc einen Schritt zurück. „Ich glaube nicht, dass Sie der Dame offiziell vorgestellt wurden, also haben Sie auch kein Recht, mit ihr zu spre- chen.“
„Freddie!“ rief Alice schockiert aus.
Marc kniff die Augen zusammen. „Was wollen Sie dagegen unternehmen?“
„Nichts. Warum sollte ich mir die Kleider zerknittern, wenn Tom sich wunderbar um Sie kümmern kann? Auf ihn, Tom!“ rief Freddie aufmunternd.
Marc drehte sich um und stand Tom direkt gegenüber. Toms Gesicht hatte sich gefährlich verfinstert.
Alice atmete tief durch und hoffte, die drohende Rauferei abwenden zu können, doch plötzlich fluchte Marc leise, und die jungen Burschen wichen wie vor einem dräuenden Unge- heuer zurück. Alice drehte sich erschrocken um und begeg- nete dem kalten, strengen Blick von Luciens Zwillingsbru- der.
Colonel Lord Damien Knight stand hinter ihr, der Kriegs- held höchstpersönlich.
In seiner adretten scharlachroten Uniform mit den golde- nen Epauletten, den weißen Handschuhen und dem Galade- gen war er nicht zu verkennen. Er war genauso groß wie Lu- cien, überragte die anderen also um einen Kopf, wirkte aus irgendeinem Grund jedoch massiver als sein Bruder, schüch- terte einen durch seine Haltung ein, während Lucien sich eher lässig gab. Alice starrte ihn an, völlig verblüfft von der Ähnlichkeit. Als Damien sich in Bewegung setzte, den Tschako unter dem Arm, stellte sie jedoch fest, dass sie sich sehr unterschiedlich bewegten: Luciens Gang war elegant und geschmeidig, Damien rückte steif und beherrscht vor. Es war ziemlich beängstigend.
Damien blieb vor ihr stehen und räusperte sich. Hinter ihm trat ein weiterer Mann in Uniform hervor. Der Colonel war so breitschultrig, dass sie den Mann zuerst nicht bemerkt hatte. Sein roter Haarschopf und der prächtige Schnurrbart kamen ihr irgendwie bekannt vor, dann fiel ihr auf, dass der
Offizier einarmig war, und plötzlich wurde ihr klar, dass sie einen alten Freund ihres Bruders vor sich hatte, Major Jason Sherbrooke.
„Major Sherbrooke!“ rief sie überrascht aus.
„Miss Montague, wie lange es schon her ist“, erwiderte er warmherzig, schien aber ziemlich verlegen zu sein. „Es ist richtig erschreckend, dass Glenwoods kleine Schwester auf einmal erwachsen geworden ist.“
Sie lächelte, aber Damien starrte ihn ungeduldig an.
Major Sherbrooke nickte. „Ahm, Miss Montague, bitte er- lauben Sie, dass ich Ihnen Colonel Lord Damien Knight vor- stelle. Mylord, die Ehrenwerte Miss Alice Montague.“
„Guten Tag“, sagte sie schwach und knickste.
Luciens muntere Burschen beobachteten die Szene be- stürzt. In ein paar Metern Entfernung richtete Caro sich plötzlich auf und durchbohrte Alice mit Blicken.
Lord Damien verbeugte sich. „Miss Montague, dürfte ich
Weitere Kostenlose Bücher