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Knight 02 - Stuermisches Begehren

Knight 02 - Stuermisches Begehren

Titel: Knight 02 - Stuermisches Begehren Kostenlos Bücher Online Lesen
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erbrach das Sie- gel.
    Er überflog die Seite und grinste amüsiert über die Raffi- nesse seines Freundes: Garcia hatte die verschlüsselte Bot- schaft als Rechnung eines Hoteliers an einen Zechpreller ge- tarnt. Unter den erzürnten Worten des Señor standen drei Zahlenkolonnen, in denen sich die Botschaft verbarg. Jedes aufgelistete Datum, jede Mengenangabe und jeder Posten entsprach einer Seite in der katholischen Bibel, die Garcia ihm als Handbuch überreicht hatte. Die Zahlen einer Reihe bezogen sich jeweils auf eine Seite, Zeile und das entspre- chende Wort in dieser Zeile. Eigennamen waren durch einen

Kringel gekennzeichnet. Eine eingekreiste Eins stand bei- spielsweise für den Papst, die Zwei für Napoleon, die Drei für King George, die Vier für den Prinzregenten, die Fünf für den Zaren und so weiter.
    Als sein Blick auf eine eingekreiste Siebenundsiebzig fiel, wurde er bleich. Jeder Agent hatte eine Codenummer – Lu- ciens war einundzwanzig. Obwohl er nicht jede Zahl aus- wendig zuordnen konnte, wusste er, dass sich hinter der Sie- benundsiebzig Claude Bardou verbarg.
    Während „Señor Sanchez“ ihm die Sachen um die Ohren schlug, die er während seines imaginären Aufenthalts in der spanischen Pension gegessen, getrunken oder zerbrochen haben sollte, tauchte Lucien seinen Federhalter in die Tinte und blätterte in der Bibel nach den Nummern. Rasch hatte er Garcias Botschaft entschlüsselt. Nun brauchte er sie nur noch aus dem Lateinischen zu übersetzen.
    Sei gegrüßt, mein Freund. Ich hoffe, Du befindest Dich wohl. Ich möchte Dich warnen, dass Bardou noch am Leben ist. Wie wir erfuhren, hat er eine kleine Gruppe treuer Anhänger versammelt. Was ihre Mission be- trifft, habe ich widersprüchliche Auskünfte erhalten. Eine Quelle besagt, dass er den Wiener Kongress an- greifen, die andere, dass er Napoleon von Elba befrei- en will. Wir müssen uns auf beides vorbereiten. Gott schütze Dich. Garcia.
    Lucien setzte sich zurück und rieb sich das Kinn. Sein Blick wurde hart. Garcia hatte die Möglichkeit, die Leonidowitsch präsentiert hatte – dass Bardou jetzt für die Amerikaner ar- beitete – , nicht erwähnt. So weit also zu Gerüchten aus drit- ter Hand, dachte er. Dann schrieb er seinen Kollegen in Ita- lien und Österreich. Die Vorstellung, Napoleon könnte von Elba nach Frankreich geschmuggelt werden, gefiel ihm gar nicht, aber noch mehr verstörte ihn die Bedrohung des Wie- ner Kongresses, denn dort hielten sich zurzeit vier Verwand- te von ihm auf.
    Sein ältester Bruder Robert, der Duke of Hawkscliffe, war als einer von Castlereaghs Delegierten angereist und hatte seine Braut Bel mitgebracht, damit sie die Festivitäten rund um den Kongress genießen konnte, seine kleine Schwester

Jacinda und deren Freundin Lizzie Carlisle, die Roberts Mündel war und für die Knight-Brüder fast wie eine Schwester. Voll Sorge schrieb er an Robert und Castlereagh und warnte sie eindringlich vor der drohenden Gefahr.
    Als seine Briefe geschrieben und versiegelt waren, über- legte er, ob er sich an Sophia Voznesensky wenden und sie fragen sollte, ob sie etwas von Bardous neuer Mission wuss- te oder wo er sich aufhielt. Die dunkle Schöne war eine von Zar Alexanders tödlichsten Kreaturen, eine russische Agen- tin, zu deren Aufgaben es unter anderem gehört hatte, Bar- dou zu verführen, um Informationen aus ihm herauszuholen. Bardou und Sophia hatten dann während der gesamten russisch-französischen Allianz nach dem Frieden von Tilsit zusammengearbeitet, und auch nachdem sich die beiden Na- tionen wieder entzweit hatten, blieb Bardou Sophia verfal- len. Und so zäh und rücksichtslos Sophia auch sein mochte, es war ihr nie gelungen, Bardous Fängen wieder zu entkom- men. Lucien wusste das, weil er einst eine kurze Affäre mit Sophia gehabt hatte. Kopfschüttelnd beschloss er, sie lieber nicht aufzusuchen. Es war für sie zu gefährlich. Bardou war wahnsinnig besitzergreifend, was diese Frau anging. Außer- dem hatte Lucien ihr nie ganz getraut.
    Als die bitteren Erinnerungen ihn zu quälen begannen, spielte er mit dem Gedanken, zu Alice zu gehen und Trost bei ihr zu suchen. Wie sehr er sich danach sehnte, Linderung in ihrem Licht, ihrer Unschuld, ihrer Sanftheit zu finden. Aber sie hatte ihn heute bis ins Innerste verletzt. Er hatte auch sei- nen Stolz – jetzt musste sie zu ihm kommen.
    Dichte Nebelschwaden hüllten London ein, als Rollo Greene ein Stück flussabwärts von Westminster am Themseufer

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