Knight 02 - Stuermisches Begehren
...“ Sie wartete darauf, dass er etwas sagte, und als er weiter schwieg, füllten sich ihre Augen mit Tränen. Sie ballte die Hände zu Fäusten und ging auf zittrigen Beinen zur Tür.
Er wirbelte herum. „Wohin gehst du?“
„Wenn du nicht das Richtige tun willst, tue ich es“, ver- kündete sie erstickt. „Ich bin schuld am Tod dieser Frau ...“ Lucien lehnte sich gegen die Tür und versperrte ihr den Weg. Er starrte sie mit einem wilden Glitzern in seinen wolfsgrauen Augen an. „Hör sofort auf, dir die Schuld zu ge- ben“, befahl er leise und harsch. „Die Verantwortung liegt bei mir, nicht bei dir.“
Wieder traten ihr Tränen in die Augen. „Was bist du nur für ein Mann, dass du so tun willst, als wäre das alles nie pas- siert? Geh mir aus dem Weg. Ich zeige den Tod der Frau jetzt an ...“
„Das ist nicht nötig, Alice“, flüsterte er eindringlich.
Verständnislos schaute sie ihn an.
„Hör mir gut zu“, begann er, „diese Frau war eine russi- sche Spionin. Sie hat in der Grotte einen amerikanischen Agenten getötet. Deswegen habe ich sie befragt.“
„Wie bitte?“
„Ich bin kein Diplomat, Alice. Ich bin ein Geheimagent der Krone. Ein Spion. Und die Grotte dient als Tarnung für et- was, das wir im Außenministerium als Horchposten bezeich- nen.“
Schockiert starrte sie ihn an.
„Du wolltest die Wahrheit. Hier hast du sie.“ Er seufzte. „Jetzt habe ich mein Leben in deine Hände gelegt. Wenn du irgendjemandem etwas verrätst, könnte das meine Sicher- heit gefährden.“
„Ein Spion“, wiederholte sie. „ Du bist ein Spion.“
Sie sank auf dem Stuhl neben der Tür. Nun wurde ihr alles völlig klar.
Er ging neben ihr in die Hocke. „Die Russin hat einen ge- fährlichen französischen Spion unterstützt, der sich gerade in London aufhält und gegen uns arbeitet. Siehst du? Ich bin kein gefühlloser Mensch. Es lag nur daran, dass Sophia den Feind unterstützt hat. Deswegen machen wir uns keine Sor- gen wegen ihres Todes. Wenn ein Agent in Feindesland stirbt, kümmert das niemanden. Wenn ich in Frankreich ge- storben wäre, hätten sie mich auch nur irgendwo verscharrt. So ist das eben“, flüsterte er und streichelte ihren Ober- schenkel, als wollte er sie beruhigen. „Du darfst dir keine Vorwürfe machen oder dich sorgen, was wohl passieren wird. Alles, was zählt, ist, dass du in Sicherheit bist.“
Sie betrachtete ihn einen Moment, zog ihn dann in die Ar- me und hielt ihn fest. „Ach, mein Liebling.“ Sie küsste ihn auf die Wange. „Danke, dass du es mir endlich erzählt hast.“ „Du bist nicht zornig?“
„Nein.“
„Und auch nicht ... angewidert?“
„Lieber Himmel, warum denn? Du bist noch außerge- wöhnlicher, als ich geahnt habe.“ Sie küsste ihn auf die Haa- re und spürte, wie er in ihren Armen bebte.
Zittrig küsste er sie auf den Hals. „Ich wusste nicht, wie du reagieren würdest. Damien hat mir meine Berufswahl immer noch nicht verziehen“, meinte er bitter. „Ich hatte Angst, dass ich dich auch verlieren könnte.“
Sie umfasste sein Kinn, beugte sich vor und küsste ihn auf die Stirn. „Mein liebster, bester Dummkopf“, hauchte sie. „Du darfst dich nie davor fürchten, mir die Wahrheit zu er- zählen.“ Sie umarmte ihn vorsichtig. „Oh, ich kann es ein- fach nicht fassen, dass diese furchtbare Frau dich mir bei- nahe genommen hätte! Etwas so Entsetzliches habe ich noch nie gesehen! Gott sei Dank bist du nicht schlimmer verletzt worden.“
„Mir geht es gut.“ Er rückte ein Stück von ihr ab und schaute sie staunend an. „Uns bleibt nicht mehr viel Zeit. Morgen muss ich dich nach Hawkscliffe Hall schicken, unse- ren Familiensitz in Yorkshire, bis ich die Sache erledigt ha- be. Wenn ich dir ein paar meiner Wachleute mitgebe, bist du dort absolut in Sicherheit.“
„Und Gretna Green?“
„Das müssen wir wohl verschieben. Tut mir Leid, Liebste.
Die Situation ist kritisch, und es ist meine Aufgabe, den Mann zu fassen.“
„Dann nimm mich nach London mit ...“
„Bestimmt nicht. Dieser Mann ist ein ausgesprochen unan- genehmer Zeitgenosse. Die Russin war seine Geliebte, er wird ihren Tod rächen wollen. Wenn er von uns erfährt, könnte er versuchen, dir etwas anzutun oder dich irgendwie zu benutzen, um an mich heranzukommen.“
Bestürzt fragte sie: „Ist er wirklich so gnadenlos?“
Lucien nickte grimmig. „Noch schlimmer.“
„Nun ... vielleicht solltest dann nicht du derjenige sein, der ihn verfolgt. Du
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