Knochen-Mond
Übermacht kam Suko nicht an. Er mußte zurück. Als einziger Ausweg blieb ihm die Burg, deren Zugang aus einem gewaltigen Tor bestand, das nicht verriegelt war.
Die Foltergestalten hatten bereits von ihrem Opfer abgelassen, um sich ausschließlich um den Inspektor zu kümmern. Und auch über ihm bewegte sich etwas. Suko entdeckte den Schatten, als er einen zufälligen Blick in den Himmel warf.
Waren es große Vögel, waren es Monster?
Für ihn war es ein Fehler gewesen, so lange darüber nachzudenken, denn diesmal entging er der Falle nicht.
Es war kein Lasso, das ihm entgegengeschleudert wurde, sondern ein Netz. Allerdings bestand es auch aus Stacheldraht und senkte sich trotz seines Gewichts zu schnell über ihn.
Auch ein kraftvoller Sprung brachte ihn nicht mehr aus der Reichweite dieser verfluchten Stacheldrahtfalle. Sie schnappte zu, und Suko konnte nur noch eines tun.
Er warf sich zu Boden, schützte seinen Kopf durch die Arme, hielt aber seine Waffe fest.
Das Stacheldrahtnetz besaß nicht die Elastizität wie ein normales. Deshalb konnte sich Suko darunter noch bewegen, auch wenn die Spitzen über seine Kleidung zerrten und dort ihre Spuren hinterließen. Er wälzte sich auf dem Rücken. Ein Stachel ritzte über seine Wange wie eine Rasierklinge und hinterließ eine rote Spur.
Sie waren schon da.
Keuchend, auch lachend, mit verzerrten Gesichtern und natürlich bewaffnet.
Jemand stieß einen Speer durch die Lücke, um Sukos Oberschenkel zu treffen.
Durch ein rasches Abdrehen entging der Inspektor dem Treffer, was die anderen zu einem hämischen Lachen veranlaßte. Sie waren sich ihrer Sache sicher.
Den ersten Treffer mußte Suko nehmen. Es hatte sich jemand hinter ihm an das Netz herangeschlichen und zugestoßen.
Blut sickerte aus seiner Wunde am Hals. In einer anderen Welt, wo das normale Ich des Inspektors lag, durchdrang ein schmerzerfülltes Stöhnen den Raum unter dem Dach.
Der Kampf ging weiter.
Suko mußte leider bald feststellen, daß der Stock zu kurz war. Große Erfolge konnte er mit ihm nicht erzielen.
Seine Chancen sanken. Der nächste Treffer erwischte ihn an der Hüfte. Es war eigentlilch nur eine Frage der Zeit, wann die Spitze einer Waffe auch die Brust durchbohren würde.
Genau da erhob sich der Riese!
Er kündigte seine Bewegung durch ein donnerndes Stöhnen an, das den Boden erzittern ließ. Wie eine gewaltige Figur setzte er sich hin, den Rücken durchgedrückt, die Arme dabei bewegend, als wollte er damit lästige Fliegen verscheuchen.
Die gab es hier nicht. Dafür erwischte er einige seiner Peiniger, die zur Seite kippten, als wären sie von mehreren Windstößen erwischt worden. War das eine Chance für ihn?
Im Moment herrschte Aufregung unter den Peinigern. Sie hatten ihre Aufgabe verloren, denn daß der Riese sich erheben würde, damit konnten sie nicht rechnen.
Und noch etwas geschah!
Suko hatte sich wohl an die Bewegung am dunklen Himmel erinnert. Jetzt sah er sie wieder. Etwas raste von oben herab. Kein Riesenvogel, kein Monstrum oder Fabeltier. Es war eine Gestalt mit schwarzen Flügeln und einem mit positiver Energie geladenen Silbergurt um die Hüften. Unter dem linken Arm hielt er einen blonden Jungen wie ein Paket.
Zebuion, der Schattenkrieger, war da!
In einer leichten Rücklage landete er und rammte seine Stiefel gegen den harten Boden.
Hinter ihm ragte der Riese wie ein monströses Gebilde auf. Er drückte den Jungen zur Seite. Seine Waffen hatte er gezogen, und dann erlebte Suko die Explosion der positiven Energie…
***
Eigentlich hätte ich die Augen schließen müssen, weil ich die Szene zu unglaublich fand. Da unten feierten Tote!
Nein, lebende Tote, Zombies. Sie tanzten durch den großen Saal oder hockten dicht gedrängt an einer Tafel, auf der eine Nahrung oder ein Essen lag, über das ich schweigen möchte. Es war grausam, zu unfaßbar, um es zu beschreiben. Auch ich als Hector de Valois weigerte mich im Prinzip, dies aufzunehmen, denn irgendwo hat jeder seine Schmerzgrenze, und auch bei mir fiel die Klappe.
Um mich kümmerten sie sich nicht. Die Fete bei ihnen ging weiter. Eine Frau mit blutverschmiertem Gesicht tanzte wie selbstvergessen nach den schrillen Musikklängen.
Die Sängerin hatte sich auf einen Stuhl gestellt, den Kopf zurückgelegt und heulte wie eine Sirene die Decke an. Ihre Haare zitterten dabei wie lange Spinnfäden.
Ein Greis mit Glubschaugen hielt eine Kanne umklammert und trank daraus. Ich konnte erst dann erkennen,
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