Knochen zu Asche
nach seinem Handy. Ich hörte zu, wie er um eine Personenüberprüfung bat.
Wir trieben in einem Meer aus Autos nach Westen. Ich schaute mir ihre Auspuffrohre an. Sonnenlicht auf Kofferraumdeckeln und Dächern. Kaute auf einem Nagelbett herum.
Wir waren bereits eine Stunde von Quebec City entfernt, als Ryans Handy bimmelte.
»Ryan.«
Pause.
»Où?« Wo?
Pause.
»Scheiße!«
Ryan klappte das Ding zu und warf es aufs Armaturenbrett.
»Was ist?«, fragte ich.
»Sie haben Bastarache verloren.«
»Wie?«
»Bastarache fuhr zu einer Raststätte. Ging ins Restaurant. Kam nie wieder raus.«
»Er hat den Mercedes stehen gelassen?«
Ryan nickte. »Er wurde entweder abgeholt oder ist per Anhalter weitergefahren.«
Ich wiederholte Ryans Gefühlsausbruch. »Scheiße!«
Minuten später war es mein Handy.
Ich den letzten achtundvierzig Stunden hatte ich weniger als sieben Stunden Schlaf gehabt. Ich funktionierte nur noch dank eines kleinen Nickerchens und reinen Adrenalins.
Als ich die Anruferkennung sah, durchströmte mich Erleichterung. Und dann sofort Verärgerung.
»Bist du das, große Schwester?«
»Ja.« Frostig.
»Du bist sauer.« Harry, Meisterin des Understatements. »Und ich weiß schon, was du gleich sagen wirst.«
»Wo zum Teufel warst du denn?«
»Jawoll. Genau das. Ich kann’s erklären.«
»Brauchst dir die Mühe gar nicht zu machen.«
»Ich wollte dich überraschen.«
Wie oft hatte ich das schon gehört?
Ryans Handy bimmelte wieder. Ich hörte ihn antworten.
»Wer ist das?«, fragte Harry.
»Wo bist du? Was willst du?«
»Wieder in deiner Wohnung. Bevor du jetzt stinksauer wirst, lass dir erzählen, was ich erfahren habe.«
»Wie wär’s, wenn du mir sagst, wo du gewesen bist?«
»Toronto. Hab mit Flan O’Connor gesprochen. Und eine interessante Information erhalten.«
»Hast du was zum Schreiben?«, fragte Ryan mit dem Handy am Ohr.
»Moment mal«, sagte ich zu Harry.
»Wo bist du?«, fragte sie, als ich den Apparat auf das Armaturenbrett legte.
Ich holte Papier und Kuli aus meiner Handtasche.
»Dreizehn Rustique.«
Ich notierte die Adresse, die Ryan wiederholte.
Als ich damit fertig war, summte Harrys Stimme aus meinem Handy. Ich ignorierte sie.
»Von der Pierrefonds auf die Cherrier. Ungefähr eine Meile nach Montée de l’Église links abbiegen.« Ryan schaute mich fragend an. Ich las die Wegbeschreibung laut vor.
»Unterhalb des Golfplatzes und des Naturreservats.Verstanden. « Ryan schaltete ab.
»Pierre Malo lebt außerhalb von Montreal?«, fragte ich, während ich mir den letzten Informationsbrocken notierte.
Ryan nickte.
»Verdammt, Ryan. Das ist wahrscheinlich das Haus, das Kelly Sicard beschrieben hat.«
»Gut möglich.«
»Und weißt du noch, wie heftig Bastarache wurde, als er uns sagte, wir sollten in unserem eigenen Hinterhof nachschauen? «
»Ich hab das als seine Version von ›Ihr könnt mich mal‹ verstanden. «
»Obéline sagte, dass Malo mit ihrem Mann irgendeine Art von geschäftlicher Übereinkunft hatte. Meinte, die beiden brauchten einander. Glaubst du, Bastarache könnte zu Malo wollen?«
»Er fuhr in Richtung Montreal.«
Ich las die Wegbeschreibung noch einmal.
»Was für ein Naturreservat?«
»Bois de L’Île-Bizard.«
Mir wurde plötzlich die Kehle eng.
»Die Bootsanlegestelle!«
»Was?« Ryan wechselte die Spur, um einen Mini Cooper zu überholen.
»Suskinds Diatomeen-Analyse brachte die Leiche aus dem Lac des Deux Montagnes mit der Anlegestelle im Bois de L’Île-Bizard in Verbindung.«
»Bis du sicher?«
»Ja!«
»Die Anlegestelle liegt praktisch in Malos Hinterhof.« Ryan spannte die Kiefermuskeln an und entspannte sie wieder.
Ein schrecklicher Gedanke. »Wenn Malo irgendwie Phoebe Quincy durch Cormier bekam, so wie er Kelly Sicard bekam, dann könnte er sie in diesem Haus festhalten.«
Aus meinem Handy kam ein scharfes Pfeifen.
Ich hatte ganz vergessen, dass Harry noch in der Leitung war.
»Hey!«
Ich nahm den Apparat zur Hand. »Muss Schluss machen.«
»Habt ihr wirklich rausgefunden, wer sich dieses kleine Mädchen geschnappt hat?« Harry klang so aufgeregt, wie ich mich fühlte.
»Ich kann jetzt nicht mit dir reden.«
»Hör mal, ich weiß, dass du wütend bist. Das war gedankenlos von mir.Was kann ich tun, um es wiedergutzumachen?«
»Ich schalte jetzt ab.«
»Ich will helfen. Bitte.Warte. Ich weiß. Ich kann da hinfahren und das Haus im Auge behalten –«
»Nein!« Es kam kreischender heraus, als
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