Knochen zu Asche
spürte er die Anspannung in meiner Berührung. Er stellte sich wieder auf die Füße und starrte mich an, die Augen gelb und rund.
Zum Teil Ryan. Zum Teil Obéline. Zum Teil koffeininduzierte Fahrigkeit.
»Tut mir leid, mein Großer. Hab einfach viel am Hals.«
Als Charlie meine Stimme hörte, mischte er sich ein. »… love drunk off my hump.«
Die Black Eyed Peas . Das Geld für die Trainings-CD hat sich gelohnt, Ryan.
Aber warum gerade diese Zeile über Liebeskummer?
Wenn bei meinem Rauchmelder die Batterie schwach wird, schrillt er, bis eine frische eingelegt wird. Das passierte einmal in einer Woche, in der ich Charlie alleine lassen musste. Die nächsten drei Monate schrillte der Papagei. Auf den Rhythmus kommt es an, sagte ich mir. Nicht auf die Texte.
Ich legte die Papagei-Trainings-CD auf, füllte seine Futter-und Wasserschalen und fütterte die Katze. Dann ging ich von einem Zimmer ins andere und vergaß jedes Mal, warum.
Ich brauchte Bewegung.
Ich zog meine Laufschuhe an, joggte zuerst den Hügel hoch und wandte mich dann nach Westen. Gegenüber in Richtung Sherbrooke lag das Anwesen von Le Grand Séminaire , wo ich vor vielen Jahren eine Leiche geborgen hatte. Einer der ersten Fälle, die ich mit Ryan bearbeitet hatte.
Noch immer kein Regen, und der Luftdruck war kein bisschen gesunken. Schon nach wenigen Blocks schwitzte ich und atmete schwer. Die körperliche Anstrengung tat mir gut. Ich rannte an Shriner’s Temple, Dawson College und dem Westmount Park vorbei.
Nach eineinhalb Meilen machte ich kehrt.
Diesmal keine Begrüßung von Birdie. In meiner Hast, hatte ich die Tür zum Arbeitszimmer offen gelassen.
Katze und Vogel hockten sich Auge in Auge gegenüber. Federn und Hülsen lagen auf dem Boden verstreut, wobei keine der beiden Spezies besonders aufgeregt wirkte. Aber Action hatte es in meiner Abwesenheit zweifellos gegeben.
Ich scheuchte Birdie aus dem Zimmer und stellte mich unter die Dusche.
Während ich mir die Haare föhnte, meldeten sich meine Gehirnzellen wieder.
Wimperntusche und Rouge.
Rausputzen für einen alten Hut?
Will mich ja auch selber im Spiegel anschauen können.
Red’s dir nur ein.
Ich tupfte Issey Miyake auf.
Flittchen.
La Maison du Cari ist ein Kellerlokal an der Bishop, gegenüber der Concordia University Library. Ben, der Besitzer, erinnert
sich an die Vorlieben eines jeden Stammgastes. Meine stand außer Frage. Bens Korma ist so gehaltvoll, dass es ein Lächeln sogar auf das Gesicht des blasiertesten Gourmets zaubert.
Als ich die Stufen hinunterstieg, sah ich Ryans Haarschopf durch das kleine, vordere Fenster. Ziemlich unscharf. Curry, brillant. Tandoori, phänomenal. Saubere Scheiben, vergiss es.
Ryan trank Newcastle Ale und knabberte Papadum. Ich hatte mich kaum gesetzt, als schon ein Diet Coke vor mir stand. Viele Eiswürfel. Eine Scheibe Limone. Perfekt.
Nachdem wir das Neueste von Bens Tochter in Schweden gehört hatten, bestellten wir. Hühnchen-Vindaloo. Lamm-Korma. Channa Masala. Gurken-Raita. Nan.
Die Unterhaltung begann bei dem neutralen Thema Phoebe Jane Quincy.
»Kann sein, dass wir eine Spur haben. Das Mädchen hatte kein Handy, die beste Freundin schon. Jetzt hat sie endlich gestanden, dass sie Phoebe erlaubt hatte, Anrufe zu machen, die sie zu Hause nicht machen konnte. Die Aufzeichnungen des Anbieters zeigen eine fremde Nummer. Wurde in den letzten drei Monaten acht Mal gewählt.«
»Der Freund?«
»Fotostudio. Eher untere Schublade, drüben auf dem Plateau. Vermietet an einen Kerl namens Stanislas Cormier.« Ryan spannte die Kiefermuskeln an, entspannte sie wieder. »Cormier hat der Kleinen versprochen, aus ihr ein Supermodel zu machen. «
»Hat dir das die Freundin erzählt?«
Ryan nickte. »Quincy hielt sich für die nächste Tyra Banks.«
»Hast du dir Cormier geschnappt?«
»Hatte einen wunderbaren Nachmittag mit dem Trottel. Er ist so unschuldig wie Bambi.«
»Seine Erklärung für die Anrufe?«
»Behauptet, Quincy hätte ihn in den Gelben Seiten gefunden. Wollte eine Fotosession. Der aufrechte Bürger fragte sie
nach ihrem Alter, hörte dreizehn und meinte, ohne Eltern geht nichts.«
»Sie hat acht Mal angerufen.«
»Cormier meinte, sie ließ sich nicht abwimmeln.«
»Glaubst du ihm?«
»Was denkst du?«
»Hat er die Marilyn-Aufnahme gemacht?«
»Behauptet, dass er davon nichts weiß.«
»Kannst du ihn festhalten?«
»Wir finden schon einen Grund.«
»Und jetzt?«
»Wir warten auf einen
Weitere Kostenlose Bücher