Knochen zu Asche
Durchsuchungsbeschluss. Sobald der da ist, stellen wir das Studio auf den Kopf.«
»Was ist mit LaManches Wasserleiche aus dem Lac des Deux Montagnes? Hat sich mit den neuen Daten über Alter und Rasse, die ich dir gegeben habe, was Neues ergeben?«
»Sie ist weder in CPIC noch in NCIS.«
Das Essen kam. Ryan bestellte sich noch ein Newcastle. Während wir uns die Teller vollluden, fiel mir etwas aus einer früheren Unterhaltung ein.
»Hast du nicht gesagt, dass Kelly Sicard ebenfalls Model werden wollte?«
»Ja.« Ryan schob sich eine Gabel voll Curry in den Mund. »Stell dir vor.«
Wir aßen schweigend. Neben uns saßen zwei Jugendliche Hand in Hand und mit verschränkten Blicken da, während das Essen vor ihnen kalt wurde. Liebe? Lust? Wie auch immer, ich beneidete sie.
Schließlich kam Ryan auf den Punkt.
Er wischte sich den Mund, faltete die Serviette dann sorgfältig zusammen und legte sie auf den Tisch. Strich sie mit der Handfläche glatt.
»Ich muss dir was sagen. Es ist nicht einfach, aber du solltest es wissen.«
Eine Faust umklammerte meine Eingeweide.
»Lilys Probleme sind schlimmer, als ich dir erzählt habe.«
Die Faust öffnete sich ein wenig.
»Vor drei Wochen wurde sie verhaftet, weil sie in einer Blockbuster-Filiale DVDs geklaut hatte. Der Kollege rief mich sofort an. Ich ersetzte dem Besitzer den Schaden und konnte ihm eine Anzeige ausreden. So kam Lily nicht in den Computer. Dieses Mal noch nicht.«
Ryans Blick wanderte zum Fenster hoch, durch die Scheibe hindurch und in die Dunkelheit auf der Bishop.
»Lily ist heroinsüchtig. Sie stiehlt, um sich Geld für den Stoff zu besorgen.«
Ich zuckte mit keiner Wimper und schaute auch nicht zu dem Pärchen neben uns hinüber.
»Das Ganze ist zu einem großen Teil meine Schuld. Ich war einfach nie da.«
Lutetia hatte dir ihre Existenz verheimlicht. Ich sprach es nicht aus.
Ryans Blick wanderte wieder zu mir. Ich sah Schmerz und Schuldbewusstsein darin. Und noch etwas. Die Traurigkeit eines Endes.
Die Faust griff wieder fester zu.
»Meine Tochter braucht medizinische Hilfe. Psychologische Beratung. Das bekommt sie alles.Aber sie braucht auch ein richtiges Zuhause. Die Überzeugung, dass jemand an sie glaubt.«
Ryan nahm meine Hände in die seinen.
»Lutetia ist seit zwei Wochen in Montreal.«
Meine Brust wurde zu Eis.
»Wir haben stundenlang über die ganze Sache gesprochen.« Ryan stockte kurz. »Wir glauben, wir können Lily die Sicherheit geben, die sie braucht.«
Ich wartete.
»Wir haben beschlossen, es mit unserer Beziehung noch einmal zu versuchen.«
»Du gehst zu Lutetia zurück?« Ruhig und völlig im Gegensatz zu dem Aufruhr in mir.
»Das ist die schmerzhafteste Entscheidung, die ich je treffen musste. Ich habe kaum geschlafen. Ich habe an nichts anderes gedacht.« Ryan senkte die Stimme. »Und die ganze Zeit bekam ich dabei das Bild von dir und Pete in Charleston nicht aus dem Kopf.«
»Er wurde angeschossen.« Kaum hörbar.
»Ich meine davor. Du in seinen Armen.«
»Ich war hundemüde und völlig fertig nach zu viel Arbeit. Pete hat doch nur versucht, mich zu beruhigen.«
»Ich weiß. Ich muss gestehen, als ich euch beide das erste Mal zusammen sah, fühlte ich mich betrogen. Gedemütigt. ›Wie kann sie nur?‹, habe ich mich immer wieder gefragt. Ich hätte dich am liebsten auf dem Scheiterhaufen gesehen. An diesem ersten Abend habe ich mir eine Flasche Scotch gekauft und mich in meinem Zimmer zugesoffen. Ich war so wütend, dass ich das Telefon in den Fernseher geschmissen habe.«
Ich hob die Augenbrauen.
»Das Hotel hat mir sechshundert Dollar abgeknöpft.« Gequältes Lächeln. »Hör mal, ich will dich nicht kritisieren oder dir die Schuld zuschieben. Aber inzwischen ist mir klar, dass du von Pete nie ganz loskommen wirst.« Ryans Daumen streichelten meine Handrücken. »Und diese Erkenntnis hat mich dazu gebracht, über alles noch einmal gut nachzudenken. Vielleicht haben die Dichter und Liedermacher doch nicht recht. Vielleicht bekommen wir doch eine zweite Chance, um alles richtig zu machen.«
»Andrew Redford und Lutetia Streisand. So wie wir waren.« Das war erbärmlich und gemein. Aber ich konnte nicht anders.
»Das wird unsere Zusammenarbeit natürlich nicht beeinträchtigen. « Noch ein dünnes Lächeln. »Wir bleiben Mulder und Scully.«
X-Akten. Ex-Geliebte.
»Bei diesen Vermissten und Toten brauche ich deine Hilfe.«
Ich verkniff mir eine Erwiderung, die ich später bereut
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