Knockemstiff (German Edition)
spuckt einen langen Schwall Tabaksaft in den Schotter. Er kommt in den Laden, die Fliegentür knallt hinter ihm zu, und er springt vor, als hätte ihm jemand einen Maiskolben in den Arsch geschoben. Jake ist der schreckhafteste Kerl, den ich je gesehen habe.
Er bearbeitet den Kautabak in seinem Mund und legt vorsichtig zwei Pfeilspitzen auf die Theke. Ich öffne die Kasse und zähle etwas Kleingeld ab. Maude gibt ihm vierzig Cent für jede, dann verscherbelt sie sie für zwei Dollar an den Sinclair-Mann. Jake bringt fünf, sechs Stück die Woche vorbei, manchmal mehr. Ich lege das Geld auf die Theke, und Jake schiebt mir einen Vierteldollar zurück, wie immer. Seine dreckigen Fingernägel sind lang und in der Mitte gespalten. Ich schiebe die Glastür der Fleischtheke auf und nehme eine Rolle Schweinskopfsülze heraus. Er mag sie dick geschnitten, also stelle ich die Schneidemaschine entsprechend ein. Ich versuche, nicht darüber nachzudenken, dass wir beide Tag für Tag den gleichen Mist essen und was das wohl einem Kopfdoktor verraten würde.
Ich schneide nun schon so viele Jahre Fleisch, da gebe ich mich gar nicht erst mit einer Waage ab. Ich treffe jedes Mal auf ein, zwei Cent genau. Ich wickle die graue Wurst in ein Blatt Papier und klebe es zu, Jake stopft sie sich in die Hosentasche. Dann steht er da, malmt auf seinem Kautabak herum und glotzt auf den Fernseher. Die ganze Zeit über sagen wir nicht ein einziges Wort, aber das bin ich schon gewohnt. Jake würde nicht mal Scheiße sagen, wenn er den Mund davon voll hätte. Ich zünde mir eine Zigarette an, Boo Nessers Wagen schießt vorbei und biegt ein Stück weiter beim Haus von Tinas Mutter ein. Plötzlich habe ich wieder Kopfschmerzen, mache mir eine zweite Flasche RC Cola auf und spüle noch ein paar Aspirin runter.
As the World Turns
ist gerade zu Ende, da höre ich Autoreifen über den Schotter knirschen. Ein neues Cadillac-Cabrio hält an den Zapfsäulen, vorn sitzen ein Mann und eine Frau. Jake lehnt sich an den Limokühlschrank und linst durch die Fliegentür. Bis ich mir meinen Öllappen geschnappt habe, ist die Frau schon ausgestiegen und macht ein Foto von dem Ladenschild draußen an der Straße. Es ist nur ein rostiges, altes Sinclair-Schild an einem Metallpfosten, aber unter dem grünen Dinosaurier hängt ein Stück Sperrholz, auf dem in großen schwarzen Buchstaben steht: WELCOME TO KNOCKEMSTIFF , OHIO . Maude hat einen ganzen Tag im Hinterzimmer damit zugebracht, die Buchstaben zu malen, sie hat sich so viel Mühe gemacht, aber sie sind trotzdem ganz schief und krumm geworden.
Der Mann rutscht hinter dem Lenkrad hervor und räkelt sich. Er ist um die vierzig, groß und schlank, trägt eine saubere graue Hose und ein weißes Hemd. Um seinen braunen Hals baumelt ein Goldkettchen. Wie er sich so umschaut und lächelt, erinnert er mich an einen dieser Seifenopernärzte.
»Das ist also Knockemstiff?« fragt er und macht eine ausholende Handbewegung. Der Cadillac hat ein Nummernschild aus Kalifornien. Hier sind schon früher immer mal wieder Wagen aus anderen Staaten durchgekommen, die meisten, weil sie sich verfahren haben, aber noch nie von so weit weg.
Ich folge mit den Augen der Hand des Mannes die Fahrspur entlang, die von staubigen Bäumen gesäumt ist, dann die Senke hinauf und die holprige Asphaltstraße hinunter, die vor dem Laden vorbeigeht und bis zur Route 50 führt. Keine Menschenseele ist zu sehen. »Das ist es«, sage ich. Ich zerknülle den Lappen in meiner Hand.
»Hier ist ja nicht viel los«, sagt der Mann. Er zieht ein weißes Taschentuch aus der Gesäßtasche und wischt sich die Stirn.
»Na ja«, entgegne ich, »da drüben ist eine Kirche.« Ich zeige mit dem Lappen hin. »Und die Straße runter ist eine Bar namens Hap’s. Gleich dahinter ist noch ein Laden, aber die verkaufen kein Benzin.« Ich denke einen Augenblick nach. Hinter mir höre ich den Fotoapparat der Frau klicken, traue mich aber nicht, in ihre Richtung zu schauen.
»Direkt hinter der Kurve ist ein Baseballfeld, aber sonst gibt es nur Häuser. Ziemlich verstreut.«
»Sieht so aus«, sagt der Mann. Er beugt sich vor, wischt sich etwas Staub von seinem glänzenden Schuh, dann richtet er sich wieder auf. »Und warum zum Henker heißt der Ort Knockemstiff?« will er wissen. »Kommt mir wie ein ziemlich übler Name vor für so eine ruhige Gegend.«
Ich seufze, greife in die Tasche, um mir eine Zigarette zu nehmen, aber ich habe die Schachtel im Laden gelassen.
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