Knockemstiff (German Edition)
ist es so gottverdammt flach, ich kann noch nicht mal gerade stehen.« Nach dem Unfall machte er es nicht mehr lang, und an dem Tag, als wir seinen Sarg in den gefrorenen Boden legten, brach ich die Schule ab, um meiner Mutter dabei zu helfen, das kleine Haus abzuzahlen, das er uns gekauft hatte. Eine Weile hielten wir das Ganze noch am Laufen, aber dann bekam sie Krebs, und die Bank holte sich das Haus zurück. Dann hat Maude den Campingwagen gekauft und hinter den Laden gestellt, damit ich dort wohnen konnte. Er sieht aus wie eine Butterbrotdose auf Rädern. Manchmal denke ich, das Ding ist genauso groß wie eine Gefängniszelle.
Ich bin mit dem Frühstück fertig und breche eine neue Schachtel Camel an. Maude zahlt mir dreißig Dollar die Woche, erlaubt mir eine Schachtel Zigaretten am Tag, und ich darf alles essen, was ich will. Ich schließe um sieben Uhr in der Früh auf und arbeite so lang, bis sie irgendwann am Abend die Nase reinsteckt. Kein hartes Leben, nicht wie bei meinem Alten, aber manchmal sind die Tage lang, vor allem, wenn Maude mal nicht vorbeikommt. Für solche Fälle habe ich ein paar Flaschen Blue Ribbon unten in der Fleischtheke versteckt. Sonntags gibt sie mir frei, denn hier in der Gegend macht man sonntags keine Geschäfte mit Bier und Süßigkeiten. Selbst die alte Maude versucht sich gut zu führen, wenn es um den Tag des Herrn geht. Die Shady Glen Church of Christ in Christian Unity steht nur ein paar Hundert Meter entfernt, und jeden Sonntagmorgen wache ich vom Wehklagen und Jammern der Gottesfürchtigen auf.
Bis zum späten Vormittag habe ich vielleicht zwanzig Kunden gehabt: Holzfäller, die Kettenöl und Sprit brauchen, alte Männer, die Doans Leberpillen und Honigkuchen wollen, Kinder, die Pfandflaschen gegen SweeTarts und Zigaretten tauschen. Fast alle, die vorbeikommen, reden von dem Geld, das Boo auf den Ölfeldern verdienen wird. Doch dann sagt Henry Skiver: »Das glaube ich nicht«, als ich ihm erzähle, dass Floyd Bowman gesagt hat, Boo würde gleich mit zwanzig Dollar die Stunde anfangen. »Ach Scheiße, der kleine Nesser würde doch noch nicht mal in einer Kuchenfabrik arbeiten.« Einen Augenblick lang mache ich mir Hoffnungen und male mir alle möglichen Katastrophen aus, die passieren können, wenn sie erst mal in Texas sind. Dann zückt Henry seine kleine Geldbörse und zählt mir sorgfältig zehn Pennys für den Kuchen ab, und ich bin schon wieder ganz bedrückt und denke an damals zurück, als sie mich mit ihrem verrückten Cousin verglichen hat.
Sieht ganz nach einem ruhigen Dienstag aus, also fange ich schon mal an und packe die Kisten aus, die der Mann von Mankers Großhandel gestern geliefert hat. Ich kontrolliere den Lieferschein, zeichne die Preise auf den Spamkonserven und Campbells-Suppendosen aus und fülle die lichten Stellen in den Regalen auf. Ich schalte das Radio ein und höre mir Miss Sally Flowers an, die alles Mögliche aufzählt, wofür sie an diesem heißen, stickigen Vormittag dankbar sei. Das wird allerdings ziemlich schnell langweilig, und ich stelle einen anderen Sender ein. Der DJ legt eine Scheibe von den Monkees auf, und ich singe zu
Last Train to Clarksville
mit, fege aus und wechsle das dreckige Fliegenpapier, das über dem Petroleumofen hängt. Die ganze Zeit über behalte ich die Zapfsäulen im Auge. Manche Leute drehen die Kurbel ein, zwei Gallonen zurück, wenn sie denken, ich würde sie nicht beobachten. Boo ist einer der Schlimmsten beim Bescheißen. Wenn er sich unten in Texas dabei erwischen lässt, schlagen sie ihm seinen dummen Schädel ein.
Gegen Mittag will ich gerade eine Pause machen und mir
As the World Turns
auf dem kleinen Fernseher anschauen, den ich mir hinter der Süßigkeitentheke aufgestellt habe, da sehe ich Jake Lowry, der aus der Senke jenseits der Kirche kommt. Er schlurft her, die Hände tief in der geflickten Latzhose vergraben, so als ob er Taschenbillard spielt. Er überquert die Straße und tritt gegen eine kaputte Bierflasche, die am Rand des Ladengrundstücks liegt. Meistens schalte ich den Fernseher aus, wenn ich jemanden kommen sehe, weil ich nicht möchte, dass die Leute wissen, dass ich mir Seifenopern anschaue, aber was Jake denkt, ist mir scheißegal. Solange ich ihn kenne, hat er schon nicht mehr alle Karten auf der Hand, und man erzählt sich, das komme daher, dass er sich während des Zweiten Weltkriegs im Wald versteckt hat, um nicht eingezogen zu werden. Direkt vor der Tür bleibt er stehen und
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