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Knockemstiff (German Edition)

Knockemstiff (German Edition)

Titel: Knockemstiff (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donald Ray Pollock
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Geruch.
    »Sie will, dass du
Knockemstiff
sagst, du blöder Hund«, sagt Boo. Er hat sich eine rote Bandana um den Kopf gewickelt, hinten ragt eine kleine Feder hervor. Sein Kopf hängt aus dem Seitenfenster, seine großen Zähne sind so gelb wie Löwenzahn im Sonnenschein. Oben auf dem Autodach sind drei, vier große Pappkartons mit Heudraht und Schnur festgebunden. Auf dem Rücksitz steht eine Tischlampe. Alles, was Tina und er auf dieser Welt besitzen, denke ich. Boo schnippt eine Kippe in meine Richtung und lacht, als ich zurückspringe. Ich würde zwar nicht so weit gehen zu sagen, dass ich ihn hasse, aber ich hätte auch nichts dagegen, wenn er in diesem Augenblick tot umfallen würde.
    »Sie wissen schon, statt
Cheese
«, sagt die Frau. »Versuchen Sie es.«
    »Okay«, willige ich ein. Dann höre ich, wie eine Tür des Fords aufgeht; Tina kommt um den Wagen gerannt und hopst im Gras neben mir herum. Sie trägt eine enge, abgeschnittene Jeans und ein übergroßes T-Shirt, das sie vor zwei Wochen auf dem Jahrmarkt für einen Dollar gekauft hat und auf dem steht: WAS DU NICHT WILLST, DAS MAN DIR TU, DAS FÜGE DEINEM NACHBARN ZU – UND HAU AB . Ich weiß alles über sie, und ich frage mich, wie lange es wohl dauert, bis ich sie vergessen werde. »Macht es was aus, wenn ich mitmache?« fragt sie die Frau. »Das ist wohl meine letzte Gelegenheit, mich mit einem blöden Hinterwäldler fotografieren zu lassen.« Sie riecht nach Schinkenschmalz und Ivory.
    »Ihre letzte Gelegenheit?« fragt die Frau und schaut von ihrem Sucher auf. »Was meinen Sie damit?« Erst klingt sie ein wenig zornig, aber dann sehe ich, wie sie Tinas verdreckte Füße bemerkt und lächelt.
    »Na, weil doch Boo und ich nach Texas wollen«, sagt Tina, »und wir kommen nicht zurück.« Ihr Arm streift an meinem entlang, es fühlt sich an wie ein elektrischer Schlag. »Stimmt’s nicht, Baby?« Mein Herz schlägt schneller.
    »Stimmt, Sweetie«, sagt Boo. Dann macht er den Motor aus. »Wir sind so gut wie weg aus diesem Scheißkaff«, grölt er.
    Die Frau lacht kurz auf und wirft ihrem Mann einen Blick zu. Ich drehe mich ebenfalls zu ihm um. Er lehnt am Auto und gafft Tinas Hintern an. »Tja, das kann ich Ihnen nicht verdenken«, sagt die Frau zu Boo und lächelt ihn an. Sie hebt die Kamera wieder an und stellt sich in Position. »Okay, bereit? Sagt
Knockemstiff!«
    »Knockemstiff!« kreischt Tina so laut, dass es von den Hügeln zurückzuhallen scheint. Dann dreht sie sich um und haut mir fest gegen den Arm. »Na komm schon, Hank, verdammt, du hast es ja nicht mal versucht.«
    »Na gut«, sage ich und nicke zur Kamera. »Noch mal.« Dann sagen wir es zusammen – Knockemstiff –, und es hört sich fast so an, als hätte es was zu bedeuten. Die Frau geht in die Hocke und schießt noch ein paar Fotos mehr. Tina kichert, und ich versuche angestrengt, zu lächeln, aber mein Gesicht kriegt das im Augenblick einfach nicht hin. Ich stehe da neben dem Mädchen, das ich anhimmle, und in meinem Kopf summen all die Dinge, die ich ihr sagen will, bevor sie verschwindet, aber ich sage kein Wort. Genauso gut könnte ich mit dem Geist meines alten Herrn wieder durch jenen Obstgarten laufen, noch immer voller Angst, ein Kaninchen zu schießen. Dann höre ich Boo rufen: »Na komm schon, Tina, wir müssen los«, und ich kann mich nicht mal mehr verabschieden. Stattdessen lehne ich mich an einen der Schilderpfosten und schaue zu, wie Jakes grauer Kopf auf der anderen Seite des Hügels verschwindet.
    Am Abend nehme ich pünktlich um neun Uhr das Bargeld aus der Kasse und stecke es in die Geldkassette. Ich schätze, ich hab über hundert Dollar eingenommen. Maude ist nicht aufgetaucht, hat noch nicht mal angerufen, um zu hören, wie es läuft, und der Tag war wieder verdammt lang. Ich setze mich draußen neben den Campingwagen und schaue zu, wie die grünen Hügel im vergehenden letzten Schein des Tages langsam verschwinden. Nach einer Weile ziehe ich meine Schuhe aus, mache eine Flasche Blue Ribbon auf und zünde mir eine Zigarette an.
    Etwas weiter die Straße runter fängt Clarence schon wieder an, mit seiner Frau zu streiten, und ich frage mich, wo Tina wohl gerade ist. Ich denke daran, wie wir vor der Frau aus Kalifornien heute diese Schau abgezogen haben, denke an all die Fotos, die sie gemacht hat. Ich drehe die leere Flasche um, nuckle den Schaum heraus und werfe sie auf den Haufen. Kurz bevor sie weiterfuhr, wollte die Frau mir noch ein paar Dollar für

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