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KNOI (German Edition)

KNOI (German Edition)

Titel: KNOI (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Schalko
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dass er niemals etwas Islamfeindliches schreiben würde, weil er Angst habe, sagte Jennifer, das sei eben typisch Knoi. Sie hingegen finde, man dürfe sich als Eichhörnchen nicht vom Grauhörnchen verdrängen lassen, man kenne solche Prozesse ja aus der Natur, ob sie das wüssten, dass das amerikanische Grauhörnchen das europäische Eichhörnchen verdränge, worauf keiner antwortete, bis Rita anmerkte, dass die meisten Islamisten nicht anderer Rasse seien, und Jennifer sagte, dass das Aussterben einer Kultur mit einem schlechten Casting vergleichbar sei. Vielleicht sei der Mitteleuropäer einfach als Mensch nicht geeignet, so feig, wie er auf diese Wilden reagiere, und Lutz fragte teilnahmslos, ob muslimische Frauen auch im Jenseits einen Schleier tragen müssten, und Rita, ob Jennifer in einem solchen Fall bei Jakob bleiben würde. In welchem Fall? fragte Jakob, im Fall einer Fatwa, sagte Rita, würde Jennifer alleine mit dir in einem Versteck im Wald leben oder würde sie dich verlassen, worauf Jennifer Rita zurechtwies, man brauche nicht über sie zu sprechen, als wäre sie nicht da. Und selbstverständlich würde sie bei Jakob bleiben. Sie habe kein Problem mit der Zweisamkeit, sondern ausschließlich mit der Vielsamkeit, und daher sei ein gemeinsames Versteck kein Verlust, es sei ein Gewinn, so wie sich jeder Verlust meistens als Gewinn herausstelle, ja, selbst ihre Rollstuhlexistenz sei am Ende ein Gewinn und habe sie von sehr vielen Dingen befreit. Zum Beispiel? fragte Rita, zum Beispiel brauche sie im Gegensatz zu Rita keine Orgasmen mehr vorzutäuschen, und Rita entgegnete, sie täusche keine Orgasmen vor, das habe sie nicht nötig, wobei sie Lutz’ Hand nahm, der sich fühlte wie ein Kind, das von der Mutter vor allen anderen Kindern verteidigt wurde. Jennifer lachte, das Kokain und der Wasabi gingen gerade eine zischende Liaison ein, und sie sagte, dass jede Frau, die das behaupte, lüge, die Männer von heute hielten das schon aus, wenn eine Frau nicht immer komme, es gebe doch längst interessantere Möglichkeiten, als eine Frau immer nur zum Orgasmus zu bringen, und da war er wieder, der Blick, der von Lutz sofort erwidert wurde. Welche Möglichkeiten? fragte Jakob, und Lutz antwortete auf diese Frage mit seinem haltlosen Blick, und Rita sagte, dass der Orgasmus wichtig sei, vor allem in Hinblick auf Kinder, ein Orgasmus erhöhe die Chance, schwanger zu werden, um ein Vielfaches, worauf Jennifer nur seufzte und sagte, sie wolle keine Kinder, niemals wolle sie Kinder, worauf Jakob die Nase hochzog, noch eine Line, aber Jennifer deutete sein wiederholtes Hochziehen falsch und reichte ihm ein Taschentuch. Rita monologisierte achtunddreißig Minuten lang über ihren Alltag mit Kindern, Konflikte mit anderen Müttern, unterschiedliche Spielplätze, aufeinanderprallende Erziehungskonzepte, wie viel man in welcher Form von Kindern zurückbekomme, und dass die Nachbarn das Geschlechtsorgan ihrer fünfjährigen Tochter Lilly nannten.
    - So wie die Katze, sagte sie.
    - Wieso wie die Katze? fragte Jennifer.
    - Vermutlich, weil sie damit etwas Positives verbindet, sagte Rita, und Jennifer entgegnete, das sei wie mit dem Weihnachtsmann und dem Tod, ein Kind müsse sich eben an die Wahrheit gewöhnen, was Rita mit einem Kopfschütteln kommentierte. Am Ende gebe es eben doch nur zwei Arten von Menschen, die mit und die ohne Kinder, worauf Jennifer sagte, dass sie selbst schließlich auch einmal Kind gewesen sei, ihr Vater habe beispielsweise in die Wohnzimmerpalme jeden Morgen eine Banane gesteckt, um den Kindern vorzugaukeln, auf der Palme wüchsen Bananen. Ob ihr das geschadet habe, fragte Rita, es gebe doch nichts Schöneres als Menschen, die dem grauen Alltag einen lustigen Hut aufsetzten. Jennifer ging auf die Formulierung nicht ein, sagte aber, dass ihr Vater selbst nicht mit der Realität zurechtgekommen sei. Als er die Diagnose Lungenkrebs erhalten habe, sei er sofort aus dem Fenster gesprungen, weil er so große Angst vor dem Tod gehabt habe, vermutlich hätte ihm die Mutter nach der Niere auch noch ihre Lunge gespendet, wäre er dafür zu ihr zurückgekehrt. Ständig habe er Sätze gesagt wie:
Es sieht immer anders aus als im Prospekt
. Oder:
Das Böse entsteht, wenn das Gute zu anstrengend wird
. Oder:
Elektrische Kerzen sind doch genauso schön, nur weniger gefährlich
. Ob er denn einen Abschiedsbrief hinterlassen habe, fragte Lutz, worauf Jennifer nur sagte, dass sie ihm nach dem Sprung auf die

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