Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
KNOI (German Edition)

KNOI (German Edition)

Titel: KNOI (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Schalko
Vom Netzwerk:
Mobilbox gesprochen habe, weil es die einzige Möglichkeit gewesen sei, sich von ihm zu verabschieden. Und die Mutter, fragte Lutz, die geistere nachts allein durch Rohrbach, sagte Jennifer, wie ein Vampir ohne Hunger, weil sie angeblich an einer Lichtallergie leide, einer Krankheit, die es doch gar nicht gebe, was er als Arzt dazu sage, als Zahnarzt, unterbrach Rita und wandte sich wieder Jakob zu und sagte, dass er sich doch eigentlich den neuen Gemeinschaftspool ansehen wollte. Jennifer strich sich betrunken über die Stirn. Sie hatte ihre Rollstuhldosis überschritten.
    Jakob stand wie auf Kommando auf und folgte Rita aufs Dach, wo sie sich den Abendwind ins Gesicht blasen ließen. Ritas dünnes Haar zappelte um ihre braunen Augen und ihr kantiges Gesicht. Jakob hätte sie jetzt gerne geküsst. Nicht um der Vergangenheit willen, schon gar nicht um irgendeiner Zukunft willen, sondern ausschließlich, weil es dieser Moment verlangte. Und obwohl Rita die gleichen Gedanken durch den Kopf schossen, weil es dieser Moment eben verlangte, kam der Kuss nicht zustande. Stattdessen dieses Schweigen mit diesem Wind und den zappelnden Haaren und Jakob, der seufzend seine Brille putzte. Und da fiel ihm wieder ein, wie sie sich im Bett anfühlte, wie sie tatsächlich jedes mal mit einem Orgasmus abschloss, vorgetäuscht oder nicht, und wie es sie erregte, wenn man ihr Ohr küsste und ihr zarte Befehle hineinflüsterte. Rita dachte an den Jakob, der sie beim Kommen immer umklammert hatte, der sich abgewälzt hatte, um sofort Wasser zu trinken, um tief grunzend zu seufzen, um dann an ihrem Hals einzuschlafen. Die Enden waren mit Jakob immer am schönsten.

ZWEI
    Sie sagte, er. Und er sagte, sie. Doch eigentlich waren sie einander passiert. Er sagte, sie sei plötzlich hinter ihm gestanden und habe gesagt, sie gehe an den Strand. Sie sagte, es sei sein Blick gewesen, der sie dazu veranlasst habe, dieser Blick habe gesagt, bitte, nimm mich mit, bitte, sprich mich an, bitte, geh nicht weiter. Sie sagte, sie habe sich nur seines Blickes angenommen, wie eines Opfers, sagte er, nein, nicht wie ein Opfer, eher wie einer, dem es die Sprache verschlagen habe. So einen könne man doch nicht einfach in der Stille stehenlassen. Also, habe sie gesagt, sie gehe an den Strand, sie habe ja nicht gesagt, gehst du mit mir an den Strand. Trotzdem sei er ihr in einem sicheren Abstand gefolgt. So getan, als würde er flanieren, habe er, sagte sie. Er, der sich an den Blick nicht erinnern mochte, sagte, er wollte ohnehin an den Strand gehen, so gesehen sei sie allerhöchstens ein Anlass, aber keineswegs der Grund gewesen. Sie habe sich dann ans Ufer gestellt, das Wasser hätte ihre Zehen umspielt. Niemals zuvor habe er Zehen gesehen, die den Händen so ähnlich sahen. Trotzdem habe er kein Verlangen gespürt, ihre Füße zu drücken. Sie habe sich keinen Platz gesucht, sondern habe sich demonstrativ ans Ufer gestellt, was er als Einladung empfunden habe, sich neben sie zu stellen. Nichts habe er gesagt, sagte sie, sofort wieder das gleiche Schweigen wie vorher. Nur, ohne Blick, denn der war stur auf das Meer gerichtet. Sie sagte, Marie. Er sagte, Oh. Sie sagte, Oh was. Er sagte, Oh. Und sie sagte, Oh-Oh. Sie nahm seine Hand. Wobei er später sagte, er sei es gewesen. Doch in dieser einen Sache war sie sicher. Er hatte sie vielleicht das erste Mal gedrückt, aber genommen hatte die Hand Marie. Sie standen da, und der warme Inselwind blies ihnen durch das Haar. Sie stellte sich jeden Abend in den Wind. Es gab ihrem Haar eine Festigkeit, die es am Festland nicht hatte. Überhaupt sei sie hier ein völlig anderer Mensch, sagte sie. Ein Kontinent, sagte er. Eine Insel, sagte sie. Eine Insel, sagte er, komme ihm ohnehin gelegener als ein ganzer Kontinent, da ein Kontinent immer auch gleich Festland sei, und auf dem Festland habe er schon die letzten Jahre zugebracht. Da seien ihm die windigen Inseln lieber, und was sie auf dieser Insel verloren habe, verloren, sagte sie, habe sie hier nichts, eher, sagte sie, hoffe sie darauf, etwas zu finden, wobei sich das mit der Suche schwierig gestalte, wenn man nicht wisse, was man eigentlich suche, und er sagte, dann seien sie ja beide auf der Insel genau richtig, und sie sagte Ja, und er sagte Ja, und dann, das wisse sie noch ganz genau, hätten sie beide gleichzeitig die Hand des anderen gedrückt, und das sei auch der Moment gewesen, an dem sie losgefahren waren und glaubten, sie müssten nie wieder

Weitere Kostenlose Bücher