KNOI (German Edition)
indessen den Butterfisch und legte die Scheiben symmetrisch vor sich auf. Rita hatte Jakob erzählt, dass er sich in Griechenland einmal das Geschlecht desinfiziert habe. Nach einem Toilettenbesuch. Auch von dem Tick, ständig über alle Oberflächen zu streichen.
- Ah, der Knoi, sagte Lutz.
Lutz hatte sich letztes Jahr alle Zähne ziehen lassen. Obwohl er Zahnarzt war, konnte man deutlich erkennen, dass es falsche Zähne waren. Knoi? fragte Jennifer, und Rita sagte, dass Max ihn so nenne, er habe so einen Blick für die Dinge, er sei wahrscheinlich behindert, sagte Lutz, man müsse den Tatsachen ins Auge sehen, worauf Rita wütend sagte, Doktor Haselbrunner habe gesagt, es handle sich nur um ein Übermaß an Empathie, erstaunlich, sagte Jennifer, und Jakob sagte, er finde das eigentlich poetisch, also für eine Psychologin, und Rita sagte, dass Lutz eine solche Abneigung gegen Frau Doktor Haselbrunner habe, dass er gedroht habe, die Paartherapie abzubrechen, worauf Jakob fragte, wie es denn vorangehe, und Rita erneut darauf hinwies, dass Max diesen Blick habe. Lutz sei eben ein Waks, Rita eine Faha und Jennifer eine Zonz, sagte sie. Lutz sah den Knoi an, Jakob die Zonz und Jennifer die Faha. Jakob sei tatsächlich ein Knoi, aber Jennifer keine Zonz, fand zumindest Jennifer.
Der Waks nahm das Tablett und trug es ins Esszimmer.
- Wein? fragte die Faha, die Zonz nickte, und der Knoi schüttelte den Kopf.
- Muss noch fahren. Und wenn du lenken willst, solltest du auch nichts trinken, sagte er zu Jennifer, die sofort einen Zonzblick aufsetzte.
Mit einem Knoi zu leben war nicht einfach, vor allem für eine Zonz. Ein Knoi zeigte selten Initiative, vor allem, wenn es um Dinge des Alltags ging. Ein Knoi sprach sehr undeutlich, hoffte noch immer auf das Größte und kannte keine Gefahr von außen. Ein Knoi war ein freundliches Wesen, das stets von einer gewissen Müdigkeit geplagt wurde. Der Knoi war nicht immer ein Knoi gewesen. Aber schon gar kein Zonz und noch weniger ein Waks. Letztendlich hätte eine Faha viel besser zu ihm gepasst.
- Rita, Jakob isst keinen Ingwer, hast du bestimmt vergessen.
Jennifer nahm sich ausschließlich Butterfisch, was Lutz mit einem sezierenden Blick goutierte. Rita legte Jakob ungefragt ein paar Stück Thunfisch auf den Teller. Lutz aß Sashimi, vermutlich weil der Reis sonst in den Zähnen hängen bliebe.
- Und, wie geht’s deinem Projekt? fragte er, obwohl er sich natürlich einen Scheiß für das Projekt interessierte. Überhaupt interessierte ihn gar nichts an Jakob, gar nichts an anderen. Er schwieg bei solchen Gelegenheiten, da es ohnehin um nichts ging. Stattdessen unternahm er aus purer Langeweile Annäherungsversuche. Anita, Britta, Daniela, Veronika, Christine. Rita war selbst schuld, wenn sie für so viel Abwechslung sorgte. Wahrscheinlich weil sie nur drei Gerichte kochen konnte. Lutz hatte schon immer überallhin greifen müssen, schon als Kind, und als sein Blick auf Jennifer fiel, fragte er sich, ob sie es überhaupt bemerken würde, wenn er jetzt den Fuß ausstreckte und ihn an ihrem Schienbein riebe. Er fragte sich, wie es sich anfühlte, taubes Fleisch, ob es für ihn einen Unterschied machte, und dann nahm er den rohen Fisch in den Mund und spürte, wie der Wasabi in sein Gehirn stieg. Als Jennifer ihn ansah und sagte, dass Jakobs Projekt völliger Schwachsinn sei und sie gar nicht wisse, was er damit bezwecke, von ihr aus könne er jederzeit nach Nairobi oder nach Timbuktu fahren, sie hielte ihn bestimmt nicht zurück, aber von daheim aus Reiseführer zu schreiben, das sei doch degeneriert, da hielt Lutz ihrem Blick stand, und auch Jennifer hielt seinem Blick stand, als Lutz sagte, dass es bestimmt ein seltsames Gefühl sei, wenn zuhause statt einem jetzt zwei Rollstühle stünden, ob das nicht einer Verhöhnung gleichkomme oder ob sie das für Empathie halte, worauf Jennifer sagte, dass sie es natürlich als Verhöhnung empfinde und dass Jakob mit seinem Projekt das Schicksal nachäffe und dass er doch froh sein solle, gehen zu können, warum er nicht einen Reiseführer schreibe, der Islamisten beleidige, etwas, womit man Geld verdiene, und nicht irgendwelche Idealistenprojekte, mit denen er versuche, sich selbst zu bestrafen, interessant, sagte Lutz, der Punkt mit dem Bestrafen, den finde er sehr, sehr interessant, worauf Jennifer noch einmal
bestrafen
sagte und ihr Blick noch tiefer in den grünen Augen von Lutz verschwand. Jakob unterbrach den Blick und sagte,
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