Knuddelmuddel
verrückt, und du hier womöglich auch. Also, was ist los?“
„Ich hätte dir den Schlüssel für meine Wohnung nicht geben sollen“, sage ich und versuche wieder, Evelina abzuschütteln, aber sie hält mich weiter zäh fest. „Ich will ihn zurück. Am besten jetzt gleich.“
„Er hat sich also nicht gemeldet“, sagt Evelina.
„Ich meine den Schlüssel“, sage ich.
„Ich weiß“, sagt Evelina.
„Vielleicht hat er wirklich die Telefonnummer verlegt oder verloren“, sage ich. „Könnte ja sein.“
„Und die Adresse gleich dazu“, sagt Evelina und nickt. „Ja, könnte sein.“
„Es ist nur so“, sage ich. „Es war ein so schöner Abend. Es ist, als ob mir jemand eine Pralinenschachtel hinhält, mit den schönsten Pralinen der Welt, man lässt mich eine Praline probieren – und als ich zugreifen will und noch eine nehmen, da zieht mir der Jemand die Schachtel weg und sagt ätsche-bätsch. Warum hält mir das Schicksal die Pralinen dann erst vor die Nase? Das ist gemein. Das ist so fies und gemein. Das ist einfach unglaublich gemein“.
„Ach Elke“, sagt Evelina.
Sie hilft mir auf und setzt mich wieder auf das Sofa. Dann geht sie zum CD-Player, sieht kurz die CDs durch und nimmt die CD mit der Filmmusik der wunderbaren Welt der Amélie in die Hand.
„Die ist konfisziert“, sagt Evelina. „Du kannst Pablo Alboran hören, oder die Klavierkonzerte mit Maria João. Oder Rene Aubrey. Sogar Roberto Leao. Aber diese CD hier – die ist konfisziert. Und spielen wirst du diesen Walzer auch nicht mehr. Das tut dir ganz eindeutig nicht gut“.
„Ich dachte nur“, sage ich, „er wäre mein Mr Right. Und jetzt ist er doch wieder ein Mr Wrong“.
„Ganz und garnicht“, sagt Evelina.„Ganz und garnicht. Claudio ist nicht Mr Wrong. Nein, nein, der Claudio ist ein richtig netter Typ. Ihr habt euch nur zum falschen Zeitpunkt getroffen. Er ist verheiratet, da ist es doch sehr gut, dass er sich hier nicht wieder blicken lässt. Das spricht doch im Grunde für ihn. Ein Mr Wrong ist in der Tat was völlig anderes. Ich werde dir eine Geschichte erzählen. Eine Geschichte von einem wirklichen Mr Wrong.“
Evelina geht zum Fenster und schließt die Fenster. Sie zieht die Gardinen zu.
„Die Geschichte von meinem Mr Wrong“, sagt Evelina.
Sie holt zwei Gläser aus der Küche und stellt sie auf den kleinen Tisch neben dem Sofa. Bin gleich wieder da, sagt Evelina, geht kurz hoch in ihre Wohnung und ist nach einer Weile wieder da. Mit einer Flasche Portwein, Salzcrackern und einer Käseplatte, Ziegenkäse aus der Beira Alta, einem Schafskäse aus Seia, einem Roquefort von irgendwoher. Evelina gießt uns einen Portwein ein.
Das ist ein sehr schöner alter Port, sagt sie. Den hat mir mein Sohn mal aus Porto mitgebracht, der Francisco, du kennst ihn ja, ein zehn Jahre alter Portwein von Calém. Die machen übrigens sehr schöne Führungen bei Calém, mit Weinprobe, ich habe mal eine mitgemacht, vor ein paar Jahren, als ich in Porto war. Warst du schon mal auf so einer Führung?
Nein, ich war überhaupt noch nie in Porto, sage ich. Weder in Porto noch in Madrid. Und auch noch nie in der Oper.
Ach Elke, sagt Evelina, Prost.
Wir probieren beide den Port.
Also gut, sagt Evelina, nimm doch ein bisschen von dem Käse. Also gut. Hier ist sie, die Geschichte von meinem Mr Wrong.
Ich bin neunundsiebzig Jahre alt, sagt Evelina. Ach was soll´s, ich bin einundachtzig, und im Grunde kommt es auf die paar Jahr auch garnicht an, es ist nur so, diese achtzig sind so eine Schwelle. Achtzig, das ist wirklich alt. Man denkt ja, fünfzig wäre so ein kritischer Geburtstag. Oder sechzig zu werden wäre schlimm. Aber die wahre Schwelle sind die achtzig. Wirklich. Glaub´s mir. Das ist wirklich alt. Aber nun zu meinem Mir Wrong. Ich habe dir ja erzählt, dass ich zweimal verwitwet bin.
Meinen ersten Mann habe ich geheiratet, da war ich Mitte zwanzig. Ich war schwanger, mit dem Francisco, meinem Sohn. Und damals einfach so ein Baby bekommen, ohne verheiratet zu sein, das war nicht üblich, das ist heute anders, zum Glück, da kann eine Frau auch gut alleine ein Kind bekommen, aber damals ... Nein, damals ging das nicht. Also haben wir geheiratet, mein Mann und ich. Und noch ein Kind bekommen, die Catarina.
Als der Francisco fünfzehn war, und die Catarina sieben, ist mein Mann gestorben. An einem Herzinfarkt. Er ist morgens aufgestanden, ins Badezimmer gegangen und einfach umgefallen. Einfach so. Bumm. Beim
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