Knuddelmuddel
das heiße Wasser braucht, weil man denkt, ohne den Tee ist das Leben nicht mehr lebenswert.
Evelina geht nach oben in ihre Wohnung und ich versuche, nicht zum Telefonhörer oder zum Handy zu greifen und Claudio anzurufen. Er hat gesagt, er meldet sich. Also sollte ich darauf warten, dass er sich meldet. Oder nicht? Oder was? Oder wie? Ach Manno. Ach Scheiße. Ach, wenn ich doch nur wüsste.
Im Schlafzimmer hängt mein neues schwarzes Outfit. Vor dem Schrank stehen die Schuhe. Ich hänge im Wohnzimmer auf dem Sofa und weiß nicht ein noch aus.
E-mail von Elke Schmidt an Andrea Reese
Hi Andrea – was macht der deutsche Sommer? Ich bin immer noch krank geschrieben und hänge hier in meiner Wohnung rum. Lass mal hören, was du so treibst – LG von E aus L
PS: habe einen netten Typen kennengelernt, wir hatten einen so schönen Abend und jetzt meldet er sich nicht ...
E-mail von Elke Schmidt an Sabine Timm
Liebste Bine – sag mal, meinst du, heutzutage in diesen modernen Zeiten ist es okay, wenn die Frau sich bei dem Mann meldet? Wieso ich das frage? Ach einfach nur so. Interessiert mich mal. Küsschen Elke
E-mail von Elke Schmidt an Helene Schmidt
Liebe Mutti, es geht mir gut. Ich bin immer noch krankgeschrieben, und genieße meine Zeit hier zu Hause. Liebe Grüße, deine Elke
Dann flippe ich mich durch die Kanäle. Dank der Satellitenschüssel habe ich ja jetzt hier deutsches Fernsehen. Das war ja wirklich nett von Vasco Duarte und Claudio (Claudio! Wieso hat der sich denn immer noch nicht gemeldet. Ich kontrolliere noch mal das Handy – nicht, dass ich da einen Anruf verpaßt habe, weil hier vielleicht Musik oder der Fernseher läuft oder so, und ich klicke die verpassten Anrufe an, suche nach der Nummer, die mit 91 beginnt und mit 445 endet, denn das ist seine Nummer, ja gut, ich kann sie auswendig, aber ich kann nichts dafür, sie hat sich mir einfach eingeprägt, sozusagen von alleine, wegen dieser 445-Logik, na vielleicht nicht Logik, aber eben einprägsam).
Ist ja auch unglaublich, was da tagsüber aus diesem Fernseher rausfällt. So lange kein deutsches Fernsehen mehr gesehen. Und auch nicht wirklich vermisst. Und muss man wohl auch nicht wirklich sehen. Da verkaufen sie überteuerte Glasperlen, als ob wir Indianer wären, die ihren Kontinent für dieses Glitzerzeug hergeben. Die Indianer heißen jetzt erstens first nations und fallen zweitens nicht mehr drauf rein. Deswegen sind jetzt wir Bleichgesichter dran. Und hier, diese Reklame: Da schreien die Frauen schrill, wenn sie ein paar Schuhe an die Haustür geliefert bekommen. Aber wie. So ein Schrei!. Der kommt bei mir erst, wenn ich mit diesen hochhackigen Schuhen irgendwo umknicke und mir das Knie lädiere. Aber diese Frauen in der Reklame, die schreien vor Freude, wenn sie die Schuhe kriegen. Ich zappe weiter ... ah eine Reality-Show, Richterin Irgendwas. Meine Güte, das sind ja Abgründe, die sich da auftun. Eine gepiercte Frau mit rosafarbenen Haaren beschimpft einen von oben bis unten tätowierten Rocker in Jeansjacke. Und da soll man vorurteilsfrei bleiben. Ich zappe weiter.
Da lernen Leute tanzen und andere sitzen im Publikum und schauen zu.
Da kochen Leute und andere sitzen im Publikum und vor dem Fernseher und schauen zu.
Da essen Leute und andere – äh ich auch – sehen ihnen dabei zu.
Da streiten sich Leute und man sitzt vor dem Fernseher, als ob das Wohnzimmer der Familie ein Loch in der Wand hätte. Oder als ob man durch ein großes Schlüsselloch guckt und schaut dabei zu, wie ganze Familien sich gegenseitig fertigmachen. Man muss nicht mehr am Leben teilnehmen, man kann es im Fernsehen beobachten. Kuddelmuddel und Knuddelmuddel vom Allerfeinsten.
Na gut, die Reality-Shows kenne ich schon, noch aus Deutschland, nicht, dass ich sie früher gesehen habe, als ich noch in Hamburg wohnte, natürlich nicht, das ist wie mit den Zeitschriften im Warteraum des Zahnarztes, keiner liest sie, jeder kennt sie. Also ich kenne die Reality-Shows vom Zappen. Aber hier die Astro-Shows – die sind mir neu. Das habe ich noch nie gesehen. Eine neue Welt tut sich mir auf.
Eine Welt, die aus Kartenlegen, Zeitstrahlen, Blockadenauflösungen, Engeln, Schutzengeln, blauen Kristallpyramiden und Zufallsgeneratoren besteht. Eine Frau verteilt mit geübter Geschwindigkeit Karten auf einer auf dem Tisch liegenden Dartscheibe.
Die Frau heißt Susa (na, wahrscheinlich nicht, aber sie nennt sich hier im Fernsehen so), hat
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