Knuddelmuddel
war, als konnte ich ihre Gedanken lesen. Ich wusste, frag mich nicht wieso, aber ich wusste einfach, was sie dachte. Sie dachte: Man kann ja mal davon ausgehen, dass die alte Schachtel diesem Gigolo Geld dafür gibt, dass er mit ihr die Kabine teilt, aber mal ganz ehrlich, ich würde mit diesem Typ nicht die Kabine teilen, nicht mal, wenn man mich bezahlt.
In diesem Moment drehte sich Miguel zu einer der beiden Frauen und fragte sie etwas. Die Frau wandte sich indigniert ab und Miguel griff sie am Arm und sagte: Du bist dir wohl zu fein mit mir zu reden, was?
Die Frau sagte, ist ja gut, lassen Sie mich einfach in Ruhe und versuchte, seinen Arm abzuschütteln. Miguel griff fester zu und die Frau schrie auf, und der Stewart kam und sagte: Sir, wenn Sie uns erlauben, dann würde ich Sie gerne in Ihre Kabine begleiten, Sie möchten sich bestimmt erholen.
Und Miguel sagte, den Teufel möchte ich, niemand will sich hier erholen und ich schon garnicht, und stand auf und hob seine Faust. Und plötzlich standen da vier Sicherheitsleute und nahmen ihn in ihre Mitte und brachten ihn aus dem Speisesaal.
Und am nächsten Morgen haben sie ihn in Malaga an Land gesetzt.
Oh Gott, Evelina, sage ich. Ich weiß garnicht, was ich sonst dazu sagen soll.
Und mich gleich mit dazu. Wir wurden beide an Land gesetzt.
Ich habe mir ein Zimmer in Malaga genommen und versucht, die Stadt zu genießen. Wußtest du, dass Picasso in Malaga geboren ist? Es gibt dort ein wunderschönes Picasso-Museum, das habe ich mir angesehen. Und weißt du, welches Bild mich am meisten – nicht beeindruckt hat – aber am meisten stutzig gemacht hat, und es war garnicht mal so sehr das Bild, es war eigentlich mehr der Titel. Eine kleine Zeichnung. Fast simpel. Eine simpel wirkende Zeichnung.
Sie heißt: Drei nackte Frauen sehen zwei Ringern zu.
Da konnte ich zum ersten Mal wieder lachen. Drei nackte Frauen sehen zwei Ringern zu. Wie kann man sich nur so einen Titel ausdenken!
„Und Miguel?“, frage ich, „hast du ihn je wiedergesehen?“
„Nein, nie, zum Glück nicht“, sagt Evelina. „Ich weiß nicht, was aus ihm geworden ist. Manchmal fühle ich mich schuldig, weil ich ihn zu dieser Kreuzfahrt eingeladen habe, dann wieder nicht, er ist erwachsen, es war unser beider Entscheidung. Man macht im Leben Fehler, und das war einer. Und zwar ein richtiger. Und zwar von uns beiden. Und weißt du, was das wirklich Absurde ist?“
Ich schüttele meinen Kopf.
„Die Kreuzfahrt wurde nach fünf Tagen abgebrochen“, sagt Evelina. „Wegen technischer Mängel, da waren ein paar Probleme mit der Elektrik, Klimaanlagen fielen aus, und so weiter, ich habe es im Fernsehen gesehen, sie haben es sogar im spanischen Fernsehen gebracht. Ich saß also in Malaga in einem kleinen Restaurant alleine beim Abendessen und sah, wie die Passagiere nach Lissabon zurückgeflogen wurden. Und dann hat das Unternehmen gesagt, sie erstatten allen Passagieren den vollen Reisepreis“.
Evelina lacht.
„Was gibt es da zu lachen“, frage ich.
„Verstehst du nicht?“, sagt Evelina, „es gibt überhaupt nur zwei Passagiere, die diese Reise bezahlt haben. Im Grunde nur einen, nämlich mich, denn ich hatte ja für uns beide bezahlt. Und wir waren in Malaga an Land gesetzt worden. Und damit selber am Reieseabbruch schuld. Der einzige Passagier, der für diese Kreuzfahrt bezahlt hat, bin ich.“
Ich weiß garnicht, was ich dazu sagen soll.
„ Das nenne ich Mr Wrong”, sagt Evelina. „Mr Wrong-Wrong-Wrong.“
In diesem Moment klingelt mein Handy. Ich zucke richtig zusammen. Mein Herz macht einen Sprung. Ich nehme das Handy in die Hand und sehe auf den Display. Die Nummer fängt mit 91 an und endet mit 445. Mein Herz macht noch einen Sprung. Einen großen.
Endlich. Er ist es. Endlich. Claudio.
VIII
„Elke?“, sagt eine Stimme. Eine Frauenstimme. Wieso kommt da eine Frauenstimme aus Claudios Handy?
„Ja?“, sage ich.
„Ich bin´s“, sagt die Stimme. „Rute“.
Rute? Wer ist Rute? Rute!
„Ja“, sage ich.
„Rute Moreno“, sagt Rute. „Erinnern Sie sich an mich? Wir haben uns auf der Hochzeit in Sintra getroffen. Als Sie den Unfall hatten? Mit dem Knie? Ich bin die Ärztin.“
„Ja“, sage ich.
Yep. Ich erinnere mich. Und ich weiß auch nur zu gut, was sie noch ist außer Ärztin. Claudios Frau.
„Ich wollte mal hören, was Ihr Knie macht“, sagt Rute.
Mein Knie? Was ist mit meinem Knie? Was soll mein Knie machen? Oh – das Knie. Klar, mein
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