Knuddelmuddel
ja – die Zeit verging und plötzlich war ich Mitte siebzig. Mitte siebzig! Und mir wurde klar – ich werde nie wieder Sex haben. Schon, weil ich ja nicht vorhatte, mein Herz je wieder einem Mann zu schenken. Und außerdem – in dem Alter, wo soll man in dem Alter noch jemanden finden? Im Café Covas? Nein, wohl eher nicht.
Aber ich wollte nicht sterben, ohne vorher noch mal Sex zu haben. Das kannst du bestimmt verstehen. Ich wollte einfach noch einmal einen männlichen Körper spüren. Und so trat Mr Wrong in mein Leben. Beziehungsweise, ich habe ihn in mein Leben geholt. Und ich bereue es und bereue es nicht.
Ich weiß nicht, ob du das jetzt verstehen kannst.
Also, du kennst doch die Pizzaria hier in der Paralellstraße? Ja, genau die, die mit den grün-gestreiften Markisen. Dort arbeitete ein Kellner, der war immer sehr aufmerksam zu mir. Und – ich kann mich wirklich nicht mehr genau erinnern, wie es eigentlich dazu kam. Ich habe dort eine Zeit lang sehr oft zu Mittag gegessen. Eine kleine Pizza oder eine Portion Spaghetti, ein Glas Rotwein, ein paar freundliche Worte. Man erzählt sich mal dies und mal das. Eine Bemerkung hier, eine Bemerkung da. Und so entstand eines Tages diese Idee mit der Kreuzfahrt.
Er gab mir zu verstehen, dass er schon immer von einer Kreuzfahrt geträumt hatte, und dass ihm das viel wert wäre. Aber in der Pizzaria verdiente er ja nicht so gut, Trinkgeld hin und her. Und meine Rente ist ja ganz ordentlich. Da habe ich wirklich Glück gehabt. Und so in ich in das Reisebüro gegangen, das Reisebüro, in dem du jetzt arbeitest, übrigens, und habe für uns beide eine Kreuzfahrt gebucht. Eine Doppelkabine.
Es war eine Kreuzfahrt von einer Woche. Abfahrt und Ankunft hier in Lissabon. Stationen unterwegs: Gibraltar, Malaga, Casablanca, Agadir, Lanzarote.
Es war ein mittleres Kreuzfahrtschiff, so um die tausendfünfhundert Passagiere. Furchtbar viel Personal. Alles inbegriffen. Das Buffet an Deck, die rund um die Uhr geöffnete Pizzaria, das Restaurant. Alles inklusive. Sogar die Drinks. Drinks immer und überall umsonst.
Es war ein herrliches Wetter, als wir in Lissabon an Bord gingen. Ich werde nie den Blick vergessen, als das Schiff den Tejo runterfuhr. Was für ein Blick! Einfach traumhaft. Miguel – so hieß er – und ich saßen auf Deck in dem Restaurant mit dem Buffet und Lissabon glitt an uns vorbei. Na, du arbeitest in einem Reisebüro, du weißt, wie so eine Kreuzfahrt ausieht. Ich saß an Deck und dachte: So schön kann das Leben sein. Krabben-Cocktail unter blauem Himmel, gut gelaunte Leute und ein attraktiver Mann an meiner Seite. Jedenfalls hielt ich ihn für attraktiv, zu diesem Zeitpunkt.
Das hat sich schnell geändert. Als er in die Kabine kam, um sich fürs Abendessen umzuziehen, war er schon betrunken. Er war sehr betrunken. Ich sagte, Miguel, ich finde das nicht so gut, wenn du dich hier so betrinkst, und Miguel sagte, was geht dich das an, ob ich betrunken bin oder nicht, Hauptsache, ich kann noch, denn das ist es doch, worum es hier geht, oder etwa nicht?
Und dann zog er sein T-Shirt aus, und ich sah die Tätowierungen. Ich wusste, dass er tätowiert war, ich hatte ja seine Arme gesehen. Jetzt sah ich: Er war von oben bis unten tätowiert. Und auf seinem Rücken hatte er einen Totenkopf. Ich glaube, das war der Moment, wo mir klar wurde, dass die Reise keine gute Idee gewesen war.
Von da an ging es bergab.
Am zweiten Abend kam es dann zu dem großen Knall. Wir sind in das Restaurant gegangen, Miguel hatte schon eine ganze Reihe von Cocktails intus, Manhattans, Tequila Sunrise, er hat gesagt, endlich kann er mal alle Cocktails probieren, von denen er je gehört hat. Im Restaurant hat er sich weiter betrunken. Mit Weißwein. Als der Kellner ihm nachgeschenkt hat, hat er den Kellner am Handgelenk gepackt und ihn gezwungen, die Flasche auf dem Tisch zu lassen. Er hat sein Essen nicht angerührt, nur getrunken.
Ich habe ihn angesehen, und in diesem Moment sah ich seine Augen, sie waren – wie soll ich sagen, sie waren zu, wie Schlitze, völlig abgeschottet. Ich sah zu den anderen Passagieren, an so einem Tisch sitzen sechs oder acht Leute. Es sind runde Tische, wir waren zu sechst. Zwei Frauen im mittleren Alter, dein Alter vielleicht und ein Paar in den sechzigern. Sie hatten ein Souveniergeschäft in Valenca, oben an der spanischen Grenze, und das war die Reise, die sie sich zum Hochzeitstag geschenkt hatten.
Ich werde nie den Blick der Frau vergessen. Mir
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