Kochlowsky 1: Vor dieser Hochzeit wird gewarnt
haben keine Zeit, Leo?« bellte Pleß ihn an.
»Keine, um unnütz zu warten, Durchlaucht.«
»Auch für mich nicht?«
»Haben Euer Durchlaucht meinen Brief erhalten?«
»Darum stehen Sie ja hier, Leo! Eine Kündigung! Sie kündigen mir? Erst machen Sie Sophie ein Kind, dann wollen Sie weg – jetzt ist das Maß voll! Ich habe mit der Fürstin um Sie gerungen, Leo! Gut, nein, schlecht … Es ist passiert: Sophie muß Ihre Frau werden. Sie bleibt bei uns als Köchin, und Sie übernehmen wieder Gut III! Verdammt noch mal! Ihrer beider Schicksal ist mir nicht gleichgültig. Das meint auch die Fürstin nach langen inneren Kämpfen. Sie kommen ab 1. Mai nach Pleß zurück.«
»Nein, Durchlaucht. Ich habe bei Graf von Douglas unterschrieben.«
»Das regle ich mit dem Grafen.«
»Ich begehe keinen Vertragsbruch!«
»Ich mache das für Sie!« schrie Fürst Pleß. »Sie störrischer Esel!«
»Hier wird immer ein Schatten über uns bleiben«, sagte Kochlowsky unbeirrt. »Durchlaucht, schütteln Sie nicht den Kopf! Ich werde immer der verfluchte Kerl sein, der Sophies Leben zerstört hat – nach Ihrer Ansicht. Wir werden nur glücklich sein können fern von Pleß. Sophie und ich werden im Mai in aller Stille heiraten und dann wegziehen.«
»Das überlegen Sie sich noch, Leo!«
»Bitte, erwarten Sie nichts, Durchlaucht …«
Kochlowsky verbeugte sich tief, so tief wie nie, denn es war seine letzte Verbeugung vor dem Fürsten Pleß, und verließ das Arbeitszimmer.
Im Remisenhaus traf er Sophie, sie zitterte vor Erwartung.
»Das wäre erledigt!« sagte Kochlowsky. »Ab 1. Mai bin ich frei, am 20. Mai heiraten wir in der evangelischen Kirche von Pleß, am 15. Juni fahren wir in unsere neue Heimat. Zu Graf Douglas.«
»Wohin?«
»Nach Würzen.«
»Was ist Würzen?«
»Eine Stadt im Sächsischen. Graf Douglas hat für mich die Stelle eines kaufmännischen Leiters in seiner Ziegelei freigemacht. Wir bekommen ein eigenes schönes Haus mit einem großen Garten. Ein Paradies für unser Kind …«
»Wie soll es heißen?« Sie faltete die Hände. Unser Kind, dachte sie. Unser …
»Wenn es ein Junge wird, natürlich Eugen.«
»Und ein Mädchen?«
»Sophie …«
»Nein. Wanda!«
»Ausgeschlossen! Alles, nur das nicht!« Kochlowsky wedelte mit der Hand durch die Luft. »Eher nenne ich es Latrinchen …«
»Es wird Wanda heißen«, sagte Sophie fest. »Oder ich bringe hundert Mäuse zur Welt. Versprich mir, Leo, daß es Wanda heißt …«
»Es ist zum Kotzen!« brummte Kochlowsky. »Noch ist nichts zu sehen, und der Krach geht schon los! Also gut! Wanda! Aber dann auch Eugénie nach meinem Bruder und Emma nach meiner verstorbenen Schwester.«
»Einverstanden.« Sie hob sich auf die Zehenspitzen und küßte ihn. »Du siehst, es ist doch so einfach, sich einig zu werden …«
Es war schon wahr: Für diese Frau hätte sich Leo Kochlowsky in Stücke reißen lassen.
Die Hochzeit war schlicht und in kleinem Kreis.
Reichert und Leibjäger Ewald Wuttke waren die Trauzeugen, Eugen trug eine Ode vor und überraschte mit drei lebenden Bildern, wofür sich zehn Mitglieder des neuen Theatervereins zur Verfügung gestellt hatten. Louis Landauer schenkte ein Kolossalgemälde ›Winterjagd auf Pleß‹ mit einer Rotte galoppierender Wildsäue, und Wanda bekam in der Kirche einen Weinkrampf, als der Pfarrer sagte: »… bis daß der Tod euch scheidet …«
Die Fürsten Pleß schenkten eine komplette Babyausstattung in neutralem Weiß, in die man aber farbige Bänder einziehen konnte, ein Taufkleidchen aus spitzenbesetztem Tüll, einen aus Korb geflochtenen Stubenwagen und tausend Goldmark in bar. Vor allem die Goldmark brachten Kochlowsky aus der Fassung. Er schämte sich für alles, was er dem Fürsten gesagt hatte. Nur war es, wie vieles im Leben, jetzt zu spät.
Am 10. Juni bezogen Leo und Sophie ihr neues Haus in Würzen, nahe bei der Ziegelei des Grafen Douglas. Es war ein schönes Haus mit grünen Holzläden und einer Pergola im Garten, mit einem großen Gemüsebeet, einem Gartenschuppen und einem Stall für Hühner, Gänse und ein Schwein. Das Ganze lag innerhalb eines weißgestrichenen Zaunes, ein abgeschlossenes Paradies, nur für die Kochlowskys.
Die Hände im Schoß, saß Sophie im Garten auf einem Korbstuhl, und die Sonne ließ ihr weißblondes Haar leuchten. Leo inspizierte noch das Haus, der Möbelwagen stand vor der Tür, die Packer warteten auf das Signal zum Ausladen.
Nun haben wir unsere eigene Welt, dachte
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