Kölner Kreuzigung
mitnichten staubige Keller. Unsere Kunstschätze …«
»Was Herr Brock wissen möchte, ist, wie das Bild verschwinden konnte. Irgendwo müssen wir unsere Suche beginnen, und da sind Zeit und Umstände des Verschwindens nicht der schlechteste Anfang.«
»Ich verstehe.« Malven schwieg einen Augenblick. »Ehrlich gesagt: Auch das wissen wir nicht so genau.«
»Und trotzdem vererben die Leute Ihnen immer noch was?« Marius warf einen schnellen Seitenblick auf Brock, der höchst konzentriert an seinen Fingernägeln nestelte.
Der Direktor trank einen kurzen Schluck aus einem Wasserglas und fuhr fort: »Es muss irgendwann im Krieg, also im Zweiten Weltkrieg verschwunden sein. Einige Bilder sind in den Wirren dieser Zeit verschollen gegangen. Auch aus unserem Museum.«
»Sie meinen Beutekunst?«
»Damit wäre das Gemälde jetzt vermutlich irgendwo in den Vereinigten Staaten. Das, was Sie hier auf dem Foto sehen, ist aber definitiv ein deutsches Arbeitszimmer.« Marius nahm das Bild erneut vom Schreibtisch und betrachtete es zum dritten Mal an diesem Vormittag.
»Also hat jemand die Gelegenheit genutzt, um sich im Museum an ein paar Bildern zu bedienen?« In Gedanken spielte er mit dem Foto in seiner Hand, bemerkte Malvens missbilligenden Blick nicht.
»Bisher sind wir davon ausgegangen, dass manche Bilder einfach zerstört wurden.« Malven schaute auf das Foto in Marius’ Hand. »Sie waren zum Teil ausgelagert, zum Teil hier. Über Jahre hatte keiner einen Überblick, welche Bilder wo gewesen waren während des Krieges. Vermutlich wusste man damals nicht einmal, wie viele Bilder überhaupt im Besitz des Museums waren. Hinzu kommen Leihgaben, die sich zeitweise nicht im Museum befanden.«
»Wissen Sie denn, wie viele Bilder Sie heute in Ihrem Museum haben?« Ein kurzes Grinsen huschte bei dieser Frage über Brocks Gesicht. Der Direktor des Museums überlegte und zuckte kurz darauf mit den Achseln. Marius übernahm das Gespräch.
»Ich versuche das einmal zusammenzufassen: Das Museum erhält Ende der 20er-Jahre ein Gemälde, das vermutlich von Stephan Lochner stammt, lagert es in seinem Archiv, aus dem es im Laufe des Zweiten Weltkrieges unbemerkt verschwindet.«
»Unbemerkt nicht. Bei einer ersten Bestandsaufnahme in den 50er-Jahren kam es mit auf die Liste der verschollenen Werke.«
»Aber gesucht haben Sie nicht danach?«
»Wir hatten keine Anhaltspunkte.«
»Bis heute.«
»Richtig.«
»Das Gemälde verschwindet also irgendwo in Privatbesitz …«
»… wo es friedlich und unbehelligt an einer Wand hängt …«, streute Brock ein.
»Und taucht nun auf diesem Foto aus den 70er-Jahren des vorigen Jahrhunderts wieder auf. Woher haben Sie das Foto eigentlich?«, setzte Marius Sandmann seinen Satz fort.
»Das haben wir mehr per Zufall in einem Nachlass entdeckt.« Malvens Blick schoss kurz zu Brock hinüber, der jedoch schwieg. »Eher allerdings ein chaotischer Hausstand, keine Kunst. Aber immerhin mit einem gewissen Geldbetrag verknüpft.« Brock schnaubte. »Beim Sortieren dieses Hausstandes ist einer unserer Mitarbeiterinnen dieses Foto aufgefallen.« Marius nahm noch einmal die Lupe zur Hand. »Im kommenden Jahr planen wir eine große Ausstellung mit Kölner Kunst aus dieser Zeit. Wir wollen unsere eigenen Bestände einmal herausstellen und einiges andere dazuholen. Wenn wir im Rahmen dieser Ausstellung einen verschollenen Lochner präsentieren könnten, wäre das eine absolute Sensation.«
»Wenigstens müssen wir nicht die Stadt verlassen, um das Bild zu finden. Vermutlich zumindest.« Malven und Brock blickten Marius überrascht an, der das Foto durch die Lupe betrachtete.
»Wie kommen Sie darauf?« Marius reichte Malven Bild und Vergrößerungsglas.
»Der Zeitungsständer links neben dem Schreibtisch.«
»Was ist damit?«
»Es steckt eine Kölner Zeitung darin.«
2
Kommissarin Paula Wagner stand vor dem Bett des Schauspielerpaares und blickte auf die gesichtslosen Köpfe in den rot getränkten Laken.
»Auf ein Autogramm kannst du bei den beiden lange warten, Kleine.« Der Rechtsmediziner Dr. Volker Brandt ging an ihr vorbei und stellte seinen Koffer neben dem Bett ab. Seine grauen Augen unter den seltsam zarten Augenbrauen wirkten herablassend.
Paula Wagner überlegte, ob sie Brandt antworten sollte, unterließ es aber. Stattdessen wandte sie sich von den Leichen ab, nur um dem Blick ihres Chefs, Hauptkommissar Hannes Bergkamp, zu begegnen, der lang und schlacksig in der Tür stand und
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