König 01 - Königsmörder
hielt sie einen alten Wanderstock, und zu ihren Füßen schnüffelten zwei riesige, ebenfalls mit Schlamm bedeckte Schweine, so zahm wie Hunde. Veiras Gesicht, das wie ein verrunzelter Apfel wirkte, war grimmig.
»Mit Herzensleid und Opfern und tödlichen Gefahren«, antwortete sie. »Aber wir müssen schnell handeln. Ich habe gestern Nacht eine Nachricht vom Zirkel bekommen: Ashers Verabredung mit dem Henker ist um Mitternacht am nächsten Barlstag.«
Dathne wandte sich zu Matt um. »Ich kann nicht glauben, dass der König das tut. Asher ist sein liebster Freund!«
»Wenn du mit König Gar meinst, dann gibt es noch mehr schlechte Neuigkeiten«, sagte Veira. »Lur hat jetzt einen neuen König.«
»Nicht Conroyd Jarralt?«
Veira nickte. »Doch.«
»Barl schütze uns«, sagte Matt und legte Dathne eine Hand auf die Schulter. »Es wird kein Olk mehr sicher sein, nirgendwo.«
»Nur wenn wir scheitern«, warf Veira entschlossen ein. »Aber wenn wir verhindern wollen, dass der Unschuldige Magier stirbt und uns alle mit ins Grab nimmt, müsst ihr tun, was ich sage, fraglos und ohne zu zaudern. Was kommen soll, wird kommen. Muss kommen. Die Prophezeiung verlangt es.« Matt runzelte die Stirn. »Es gefällt mir gar nicht, wie das klingt.«
»Das muss es auch nicht«, blaffte Veira. »Dathne, bring die Schweine in den Stall, Kind, und sorge dafür, dass sie ein ordentliches Frühstück bekommen. Und du, Matthias, hol mir Messer und Schale aus der Küche. Schneide zwei Zweige von jedem Kraut und jeder Pflanze in der letzten Reihe des Gartens dort ab. Binde dir ein Stück Tuch über Mund und Nase, und zieh Handschuhe an, und was immer du über das denkst, was du siehst und schneidest, behalte es für dich. Bring die Pflanzen auch nicht ins Haus, sondern lass sie neben der Hintertür auf dem Boden liegen. Wenn ihr beide fertig seid, amüsiert euch in der Küche, indem ihr eine Suppe fürs Mittagessen kocht. Alles Notwendige findet ihr in der Speisekammer.«
Dathne blickte verwirrt zu dem Kräuterbeet hinüber. »Tuch und Handschuhe?« Veiras strenge Miene entspannte sich ein klein wenig. »Das ist nur eine Vorsichtsmaßnahme. Ich will Matthias nicht in Gefahr bringen.« Sie verzog das Gesicht. »Zumindest nicht in eine Gefahr durch Kräuter.«
Als sie an ihnen vorbei zurück ins Haus stapfte, sagte Matt: »Und es gefällt mir noch weniger, wie
das
klingt.«
Dathne nickte beunruhigt und beobachtete, wie die Tür hinter der alten Frau zufiel. »Mir auch nicht. Aber ich denke, wir tun am besten, was man uns aufgetragen hat. Was immer sie plant, es reißt ihr beinahe das Herz aus der Brust.«
Trotz ihres abgeschiedenen Lebens bewahrte Veira ihre Zirkelsteine in einem Versteck auf, einem kleinen Loch, das sie unter dem Boden ihres Schlafzimmers gegraben und mit weggeworfenen Ziegeln aus der Dorftöpferei ausgekleidet hatte. Die säuberlich wieder zusammengefügten Dielenbretter mit ihren verräterischen Fingerlöchern lagen verborgen unter einem alten, ausgefransten Teppich.
Allein in ihrem Schlafzimmer, nachdem sie die Tür geschlossen und die Vorhänge zugezogen hatte, rollte sie den Teppich zurück, hob den Deckel des Verstecks an und lehnte ihn gegen das Bett. Vierzig Zirkelsteine blinkten ihr in dem flackernden Lampenlicht entgegen und wirkten dabei nicht wichtiger als eine willkürliche Ansammlung hübscher Quarzkristalle, Spielsachen für eine Elster. Vierzig Steine, vierzig Freunde – nein,
Familienangehörige –
vierzig feierlich geleistete Eide. Es waren so wenige, um sich gegen die kommende Dunkelheit zu stemmen.
Sie ging neben dem Versteck in die Hocke und verzog das Gesicht, als ihre Knie protestierten. Rafels Stein, der von einem so hellen Blau war wie frisch entrahmte Milch, zog ihren Blick an wie ein Magnet. Sie griff nach dem Stein, schloss die Finger darum und rief nach Rafel. Als er antwortete, schössen ihr Tränen in die Augen.
»Die Zeit ist gekommen.«
Mehrere Herzschläge lang sagte er nichts. Dann spürte sie, dass er seufzte.
Als wir von Ashers Verhaftung hörten, habe ich mir so etwas schon gedacht. Er ist es, nicht wahr? Er ist der Unschuldige Magier?
Sie hatte es niemandem außer Gilda erzählt. Es war typisch für Rafel, dass er die Wahrheit erriet. »Ja«, sagte sie. »Er ist es. Liebling…«
Sprich es nicht aus.
Sie dachte, sein Lächeln werde sie töten.
Du weinst… und außerdem hatte ich seltsame Träume.
»Wenn es irgendeine andere Möglichkeit gäbe…«
Dann wäre ich
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