König 01 - Königsmörder
im Streit auseinandergegangen, Herr. Auf das Risiko hin, makaber zu klingen, ist es nicht möglich, dass Matt lediglich zurückgekehrt ist, um mitanzusehen …«
»Nein!«
Ärger und Ohnmacht waren ein brennendes Feuer. Wenn er Darrans Dickschädel gegen die nächste Wand schlug, würde er vielleicht sehen, was gesehen werden musste. »Möglich –ja. Es ist möglich. Aber ich glaube nicht, dass das die Antwort ist. Ich kann es nicht erklären. Nennt es Intuition. Verzweiflung. Was immer Euch gefällt. Aber ich weiß, dass Matt hier war, um Asher zu retten, und er ist nicht allein gekommen. Asher konnte fliehen, unterstützt von Menschen, die ihn am Leben erhalten wollten. Und ich bezweifle, dass es Doranen waren.«
»Olken?«, flüsterte Darran. »Ihr meint… es gibt mehr von unseresgleichen, die so sind wie Asher?«
»Darüber weiß ich nichts. Ich weiß nicht, wer sie sind oder was sie wollen. Ich weiß nur, dass wir sie irgendwie finden müssen. Denn sie können uns zu Asher führen!«
»Nein,
Herr!« In seiner Rage schien Darran nicht zu bemerken, dass er die Stimme gegenüber seinem Prinzen erhoben hatte. »Es ist zu gefährlich! Wenn Asher lebt, dann bin ich froh darüber, um seinetwillen. Aber Ihr
dürft
Euch nicht weiter einmischen! Das könnte Euch das Leben kosten! Ihr könntet
sterben!«
»Und wenn ich mich
nicht
einmische, Darran, könnte es den Tod dieses Königreichs bedeuten!«
Darrans Gesicht verfiel vor Verzweiflung. »Herr. Warum akzeptiert Ihr es nicht? Das Königreich ist bereits tot. Zumindest ist es für Euch tot. Conroyd ist jetzt unser König. Lurs Zukunft ruht auf ihm.«
Wieder fasste er den alten Mann an den Schultern. Diesmal hielt er ihn sanft umfangen, als könnten seine Knochen brechen. »Ihr versteht nicht, Darran«, flüsterte er. »Irgendetwas stimmt nicht mit Conroyd.«
Darran schnaubte. »Verzeiht mir, Herr, aber das weiß ich schon seit einiger Zeit!« »Nein, nein«, entgegnete er, immer noch flüsternd. Er fürchtete sich zu sehr, um seine Gedanken mit lauter Stimme auszusprechen. »Ich habe etwas gesehen. Heute Nacht. In ihm. Ich habe…
jemanden
gesehen.« Er holte tief und zittrig Luft und stieß sie wieder aus. »Jemanden, der nicht Conroyd war. Einen Moment lang trug er… Er trug
zwei
Gesichter.«
»Eure Hoheit…« Jetzt flüsterte auch Darran. Er wirkte verängstigt. »Ich weiß nicht, was Ihr meint.«
Gar trat zurück. »Ich weiß es auch nicht.«
»Was Ihr da sagt… klingt fantastisch.«
»Das ist mir bewusst. Fantastisch und wahnsinnig.« Er zwang sich zu einem Lächeln. »Aber ich bin nicht verrückt, Darran. Diese Hinrichtung hat mir nicht den Verstand geraubt oder meinen Kopf mit wilden Vorstellungen gefüllt. Ich weiß, was ich gesehen habe. Und ich weiß auch dies. Seit dem Augenblick, in dem wir Barls Bibliothek geöffnet haben – seit Durm ihr verborgenes Tagebuch entdeckt hat –, stimmt etwas nicht in diesem Königreich. Ich weiß nicht, was es ist, aber ich habe die Absicht, es herauszufinden.«
Immer noch voller Angst drückte Darran den Rücken durch. »Ja, Herr. Aber wie?«
Gar blickte auf, als könne er direkt durch die Decke in seine Bibliothek sehen. »Die Antwort liegt in diesem Tagebuch, Darran. Ich kann es in den Knochen spüren. Ich muss die Übersetzung fertig stellen, und ich habe keinen Augenblick zu verlieren. Sehr bald wird es, wie ich befürchte, zu spät sein, und Conroyd – oder wer auch immer er ist – wird uns alle ins Verderben stürzen.« Er eilte beinahe im Laufschritt auf die Treppe zu. Darran rief ihm nach. »Und ich? Eure Hoheit? Kann ich irgendetwas tun?«
»Natürlich könnt Ihr das«, sagte er und drehte sich auf der Treppe noch einmal um. »Ihr könnt Euch eine Möglichkeit ausdenken, Matt zu retten!« »Conroyd?«
Morg hielt den verzückten Blick auf das blutdurchtränkte Stroh rund um den Henkersblock gerichtet. Fast alle Olken hatten den von Glimmfeuer erhellten Platz inzwischen verlassen; eine Handvoll emsiger Personen zupften feuchte, scharlachrote Weizenstängel vom Boden, wobei sie sich sehr schnell bewegten, bevor ein Wachposten sie bei ihrer Reliquiensammlung stören konnte. Der Leichnam war, in Sackleinen gehüllt, bereits zum Wachhaus abtransportiert wor– den, wo er auf seine versprochene unrühmliche Vernichtung warten sollte. Willer hatte ihn voller Eifer und Häme begleitet. Alles in allem eine gute Arbeit für eine einzige Nacht. Der Geistliche hinter ihm trat rastlos von einem Fuß auf den
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