König 01 - Königsmörder
schaffen machten. Der in seinen Kapuzenumhang gehüllte Henker einer aus ihren eigenen Reihen, der den Kopf eines Mannes abschlug, dessen Herz bereits zu schlagen aufgehört hatte, damit sie den lebenden Asher in all dem Tumult und der Verwirrung fortschaffen konnten. Feuer. Schrecken. Hysterie.
»Einen Moment lang dachte ich, wir würden es nicht überleben«, gestand Veira nach einem weiteren Schluck Tee. »Die Menschen haben geschrien. Getrampelt. Ich konnte keinen Schritt weit sehen, und wenn ich gefallen wäre, wäre niemand stehen geblieben, um mir aufzuhelfen. Unsere Leute haben uns gerettet. Sie ha– ben uns in Decken gehüllt und uns direkt unter der Nase der Wachen zum Viehmarkt gebracht. Es war ein solcher Aufruhr, dass ich Matts Fehlen erst bemerkt habe, als wir die Pferde und den Wagen erreicht hatten und es Zeit war aufzubrechen.«
Dathne umfasste Veiras Hand noch ein wenig fester. »Es war nicht deine Schuld. Du hast es selbst gesagt: Die Rettung Ashers war das Wichtigste. Matt ist ein starker und einfallsreicher Mann. Er wird zu uns zurückfinden. Ich weiß es.«
Aber sie klang zuversichtlicher, als sie sich fühlte.
Veira entzog ihr ihre Hand und stand langsam auf. »Ich bin sicher, du hast Recht, Kind. Aber was würdest du dazu sagen, wenn wir uns selbst davon überzeugen würden, hm? Ich werde besser schlafen, wenn ich weiß, dass er auf dem Weg hierher ist.«
»Lass mich es tun. Du bist zu müde, um heute Nacht noch hellzusehen, Veira.« Veira runzelte die Stirn. »Und du bist schwanger.«
»Wie meinst du das?«, fragte Dathne erschrocken und sprang, die Hände auf ihren noch immer flachen Bauch gedrückt, von ihrem Stuhl auf. »Ich habe hellgesehen, als ich hier ankam! Habe ich dem Baby geschadet?«
»Nein, nein, das denke ich nicht«, sagte Veira und drückte sie zurück auf den Stuhl. Tanal ist kein Gift, Dathne. Wenn man es kaut und nicht herunterschluckt, richtet es keinen Schaden an. Aber es ist besser, auf der sicheren Seite zu bleiben. Außerdem bin ich alt, und ich bin müde, aber ich bin nicht so hinfällig, dass ich dieses eine Mal nicht nach unserem Matthias suchen könnte.«
»Dann lass mich zumindest holen, was notwendig ist. Setz dich und trink deinen Tee aus. Iss noch einen Keks. Du wirst deine Kraft brauchen.«
Veira, die so tat, als murre sie, gehorchte dennoch. Dathne holte die Schale, das Wasser und die Kräuter. Dann breitete sie alles sorgfältig vor der alten Frau aus, bevor sie sich zurückzog und sich an die Spüle lehnte, wobei sie mit einem Ohr lauschte, falls Asher aufwachte oder auch nur einen Laut von sich gab. Sie war zu nervös, um sich wieder hinzusetzen, bevor sie wusste, dass es Matt gut ging.
Jervale, hörst du zu? Sorg dafür, dass es ihm gut geht…
Methodisch und ohne Hast bereitete Veira sich auf das Sehen vor. Sie kaute die Tanalblätter und spuckte sie aus. Dann schloss sie die Augen und wartete. Es schien eine Ewigkeit zu dauern.
»Ich habe ihn«, flüsterte Veira endlich. Langsam breitete sich ein Lächeln auf ihrem müden, runzeligen Gesicht aus. »Er ist in Sicherheit. Er kommt. Und er bringt Gesellschaft mit…«
»Gesellschaft?« Dathne stürzte auf den Tisch zu und blickte in das Wasser, obwohl sie wusste, dass sie dort nichts sehen würde. »Wer ist es?« »Ein alter Mann – ein Olk – und ein gut aussehender junger Dorane. Sie reisen in einem Eselskarren.«
Ein gut aussehender junger
Dorane?
Konnte es sein… »Gar?«, fragte sie ungläubig. »Er bringt
Gar
hierher?
Warum?«
Veira zuckte die Achseln. »Er hat zweifellos seine Gründe, Kind.« »Das können keine guten Gründe sein!« »Was meinst du, wer der alte Olk ist?« »Ich bin mir nicht sicher. Aber wenn der Dorane Gar ist, muss der andere Mann Darran sein. Sein Sekretär.« Benommen ging sie in der Küche auf und ab. »Ich glaube es nicht. Was
denkt
er sich nur dabei?« In ihre Freude über Matts Überleben mischte sich jetzt Zorn. »Sobald offenbar wird, dass Gar verschwunden ist, wird Jarralt keine Ruhe geben, bevor er ihn gefunden hat! Er wird unter jedem Grashalm im Königreich nachsehen! Man wird uns alle ent– decken. Wenn Matt hierherkommt, werde ich ihn
umbringen!«
Veira öffnete langsam die Augen und entwand sich der zähen Umklammerung des Tanals. »Nein, das wirst du nicht tun, Kind. Du wirst dir seine Geschichte anhören und dabei deine Zunge hüten.«
Diese Bemerkung brachte sie zum Schweigen. Als sie sich wieder einigermaßen im Griff hatte, fragte sie
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