König 01 - Königsmörder
einige der Doranen aus dem Großrat. Jarralts Spießgesellen. Und sie kannte er auch nur deshalb, weil er ihnen nicht aus dem Weg gehen konnte. Davon abgesehen war ihm die doranische Gesellschaft ein Rätsel. Sein Volk und das Gars schwappten in den Mauern von Dorana umher wie Öl und Wasser, berührten einander regelmäßig, ohne sich jedoch jemals wirklich zu mischen. Selbst als Vizetribun für Olkische Angelegenheiten hatte er nie mit den Doranen der Stadt zu tun gehabt. Bei den seltenen Gelegenheiten während des vergangenen Jahres, bei denen ein Dorane in Olkische Angelegenheiten verwickelt gewesen war, hatte Gar sich um den Fall gekümmert. Und wenn einer von ihnen Gar zum Essen einlud, hielten sie es doch niemals für notwendig, auch einen olkischen Fischer an ihren Tisch zu bitten. Selbst einen, der auf die harte Tour gelernt hatte, welche Gabel er wann benutzen musste.
Mit einem unangenehmen Gefühl des Erschreckens fragte er sich, ob
Gar
all ihren Gesichtern einen Namen geben konnte. Der Prinz mischte sich nur dann unter sein eigenes Volk, wenn die Pflicht oder das königliche Protokoll es unabweisbar machten, oder wenn Darrans Proteste und flehentliche Bitten ihn zermürbten und er widerstrebend eine Einladung zum Essen oder zu den Rennen oder zu irgendeiner anderen Art von exklusiver doranischer Unterhaltung annahm. Jetzt jedoch, dank dieser Katastrophe, würde sich das ändern.
Der ohne Magie geborene Prinz Gar konnte seinesgleichen meiden, aber der Wettermacher König Gar war plötzlich einer von ihnen. Und er stand im Begriff, in fremde und unvertraute Gewässer hinauszusegeln. Und wie ein Beiboot, das an einen Fischkutter gebunden war, würde Asher von Restharven mit ihm segeln.
Asher biss sich unwillig auf die Unterlippe. Wie würden die Doranen auf die Vorstellung reagieren, dass ihr beinahe unsichtbarer Prinz nun den Thron Lurs besteigen würde? Wie würden sie auf einen einst verkrüppelten Ausgestoßenen reagieren, der sich bei den Olken heimischer fühlte als bei seinem eigenen Volk und der plötzlich zum schlagenden Herzen ihrer aller Leben werden würde? Und wie würden sie reagieren, wenn sie begriffen, dass er erwartete, eine ihrer Töchter zu heiraten, damit er einen Erben zeugen konnte?
Vor dem Unfall hatte Gar den Gedanken gescheut, sich ihnen als ein wiedergeborener Prinz zu offenbaren. Wie würde es jetzt sein? Er war ein unerprobter, unerfahrener Magier, berühmt aus lauter falschen Gründen, und jetzt war er der König. Der Wettermacher. Alles, was zwischen Lur und den unbekannten Gefahren jenseits der Mauer stand. Und nicht einer aus seinem eigenen Volk wusste, ob er der Aufgabe gewachsen war. Um ehrlich zu sein, Gar wusste es nicht einmal selbst. Und wenn er auch nur ein einziges Mal stolperte, und sei es auch noch so geringfügig, würden Conroyd Jarralt und seine Spießgesellen sich auf ihn stürzen wie Katzen auf eine Maus.
Holze hatte endlich aufgehört, Barls Barmherzigkeit und Schutz zu erflehen. Jetzt wartete er, während das Echo der letzten Antwort der Menge erstarb. Asher, der Lady Marnaghs missbilligenden Blick spürte, zwang sich, seine Aufmerksamkeit wieder auf die Geschehnisse des Augenblickes zu lenken, und brachte es fertig, etwas Passendes zu murmeln. Dann trat er einen kleinen Schritt vor, um die Menge besser sehen zu können, und wartete mit angehaltenem Atem ab. »Und nun, brave Männer und Frauen von Dorana, fällt mir die Aufgabe zu, die größte aller Fragen zu beantworten«, sagte Holze. Er trug seine feinsten Gewänder; die untergehende Sonne entlockte goldenen und silbernen Fäden ein vielfarbenes Feuer und blitzte auf Rubinen und Smaragden und dunkelpurpurnen Amethysten. Der Mann hatte sich so viele frische Blüten in seinen Zopf geflochten, dass er einen Blumenladen hätte eröffnen können. »Die Tradition schreibt vor, dass der Meistermagier derjenige ist, der unseren nächsten Wettermacher benennt. Aber unser von Herzen gelieb– ter Durm erholt sich noch immer von seinen Verletzungen, daher obliegt es mir, seine Stelle einzunehmen. Barl hat in ihrer unendlichen und rätselhaften Weisheit verfügt, dass wir unser Leben hinkünftig ohne die liebevolle Leitung König Bornes leben müssen, ohne die Erwartung, dass nach ihm seine ruhmreiche Tochter, Fane, die Herrschaft übernehmen wird. Aber in ihrer prachtvollen Hin– gabe an uns, ihre Kinder, hat Barl das Versprechen, das sie unseren Vorfahren gab, dennoch eingehalten und dafür gesorgt, dass wir
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