König 01 - Königsmörder
hatte. War es das, was er jetzt von jedermann erwarten konnte? Färbte etwas von Gars königlichem Glanz auf ihn ab? Er nickte. »Schickt sie ruhig weg, Mylady. Es gibt keine Arbeit mehr für sie zu tun, und sie werden wahrscheinlich bei ihren Familien sein wollen.«
»Was ist mit Euch?«
Er zuckte die Achseln. »Ich schätze, ich werde noch ein Weilchen bleiben, bis die Menge da draußen sich satt gesehen hat und nach Hause gegangen ist. Möglicherweise braucht der König mich noch für irgendetwas.«
»Ja, natürlich.« Sie zögerte, und frische Tränen sammelten sich in ihren Augen. »Werdet Ihr Seiner Ho… Seiner Majestät ausrichten, wie leid es mir tut? Wie leid es uns allen tut.«
»Ja.«
Sie strich mit den Fingerspitzen über seinen Ärmel. »Danke. Ich wünsch Euch noch einen schönen Abend, Asher.« »Und ich Euch, Lady Marnagh.« Er beobachtete, wie sie ihr Personal zusammenrief und die Männer und Frauen durch die hinteren Türen geleitete. Draußen schwollen die Stimmen der Menge an und ab wie der rastlose, tosende Ozean. Bei dieser plötzlichen Erinnerung stieg mit einem Mal Heimweh in ihm auf. Er machte auf dem Absatz kehrt und folgte Lady Marnaghs Personal aus der Halle.
In den Ställen der Halle, wo er Cygnet zum Fressen zurückgelassen hatte, fand Asher Ballodair dösend in der Box neben Cygnet, außerdem einen einzigen Stallburschen, der das Messing polierte. »Du kannst jetzt gehen, Vonnie«, sagte er. »Es sind ja keine anderen Pferde mehr da, um die du dich kümmern müsstest. Ich werde hier warten, bis Seine Majestät zurückkehrt, und dafür sorgen, dass den Pferden nichts zustößt.«
Der schüchterne Vonnie nickte dankbar, zündete die Stallhoflaternen an, da die Abenddämmerung langsam heraufkroch, und eilte davon. Asher fand einen leeren Wassereimer, kippte ihn um, setzte sich darauf und lehnte sich an die Wand zwischen den beiden besetzten Ställen. Mit beiläufiger Neugier zupfte Cygnet an seinem Haar. Asher tätschelte seine Nase. Da ihm keine Äpfel ange– boten wurden, verlor das Pferd das Interesse und zog sich zurück, um im tiefen Stroh zu dösen. Asher streckte die Beine aus, faltete die Hände auf dem Schoß und folgte dem Beispiel des Tieres.
Einige Zeit später erwachte er, als jemand ihn gegen den Knöchel trat. »Au!«, sagte er und öffnete die Augen. Es war dunkel, und er fror. »Wo ist Gar?« »Er ist immer noch da draußen«, antwortete Dathne. Sie trug eine geschlossene, schwarze Wolljacke und hielt in der Hand einen mit einem Tuch abgedeckten Korb. »Hungrig? Ich habe ein Abendessen mitgebracht.«
Er stand mit knackenden Gelenken auf. »Wie spät ist es?«
»Fast halb sieben.« Sie stellte den Korb ab und zog das Tuch zurück. Die Luft füllte sich mit dem Duft von heißem Maisbrot; er schnupperte anerkennend; plötzlich fühlte er sich vollkommen ausgehungert.
Während Dathne sich an dem Inhalt des Korbs zu schaffen machte, fügte sie hinzu: »Auf dem Platz stehen die Menschen noch immer dicht an dicht. Sie wollen nicht nach Hause gehen, bevor sie ihren neuen König berührt haben, und er will sie nicht wegschicken, auch wenn er inzwischen vollkommen erschöpft sein muss. Die Menschen singen straßauf, straßab sein Loblied. Wenn sie vorher ängstlich oder unsicher waren, jetzt sind sie es nicht mehr.«
Er streckte die Hand aus und nahm das in eine Serviette gewickelte Essen, das sie ihm anbot. »Woher wusstest du, dass ich hier war?«
Ihr Lächeln war kurz und voller Zuneigung. »Wo sonst würdest du sein, außer ganz in der Nähe, um auf ihn zu warten?«
Er zuckte mit den Schultern; er hatte den Mund bereits zu voll, um etwas erwidern zu können. Das Maisbrot war durchtränkt von Butter; er hätte um ein Haar laut aufgestöhnt, so köstlich schmeckte es. Sie lächelte abermals, freute sich an seiner Freude und nahm einen zierlichen Bissen von einem gebratenen Hühnerflügel. Ihm lief geschmolzene Butter das Kinn hinunter und in seinen Ärmel. Es kümmerte ihn nicht. Sie hatte an ihn gedacht und ihm etwas zu essen gebracht.
»Erzähl mir, wenn du kannst: Wie geht es Meistermagier Durm?«, bat sie. »Wie geht es ihm wirklich?«
»Er ist nicht tot«, erwiderte er und griff nach einem fleischigen, gewürzten Unterschenkel. »Warst du draußen auf dem Platz? Als Holze Gar zum König ausgerufen und er seine hübsche Ansprache gehalten hat?«
»Es war eine gute Ansprache. Sie hat viele der Menschen zu Tränen gerührt.« Er leckte sich Butter und
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