König 01 - Königsmörder
musterte den aufdringlichen Tölpel mit einem Stirnrunzeln. »Kenne ich Euch, Herr?«
»Nein«, antwortete der Mann. Er trug einen langen, grauen Umhang und hielt einen Bierhumpen in einer Hand. »Aber ich kenne Euch.«
»Viele Leute kennen mich. Ich bin ein wohlbekannter Mann.«
»Das seid Ihr«, stimmte der Fremde ihm zu. »Und es ist mir eine Ehre, hier bei Euch zu sitzen.« Er deutete auf den Humpen, den er auf den Tisch gestellt hatte. »Wollt Ihr mit mir einen Trinkspruch ausbringen, Meister Driskle? Auf unseren neuen König, möge Barl seine Tage unter uns segnen!«
Nun. Man konnte sich kaum weigern, einen Trinkspruch auf den König auszubringen…
»Und auf das Andenken seiner Familie, Barl schenke ihnen Ruhe!« Oder auf seine verstorbenen Eltern und seine Schwester… »Und auf die schnelle Genesung unseres verehrten Meistermagiers!«
Nicht einmal einen Trinkspruch auf Durm konnte man ablehnen, obwohl das Leben ohne ihn gewiss friedlicher war.
Willer, der das Ganze eine Spur erschöpfend fand, musterte seinen neuen Freund mit zusammengekniffenen Augen. »Wer
seid
Ihr?«
Der Mann lächelte. »Der Diener von jemandem, der gern ein Wort mit Euch wechseln würde, Meister Driskle. Falls Ihr gerade die Zeit dafür erübrigen könnt.«
Er rümpfte die Nase. »Wenn dies ein unbeholfener Versuch ist, sich eine Vergünstigung von einem Mann mit königlichem Einfluss zu erschmeicheln, dann…«
»Oh, nein, Meister Driskle«, unterbrach der Mann in Grau ihn mit erheitertem Blick.
»Was will dieser ›jemand‹ dann? Hat er einen Namen? Ich werde keinen Fuß aus dieser elenden Taverne setzen, wenn Ihr mir nicht verratet, wer…« Der Mann lächelte, hob einen Finger und zog den Rand seines Umhangs beiseite, um seinen Kragen zu entblößen. Der Stoff war bestickt mit einem schwarzsilbernen Falken: dem Emblem des Hauses Jarralt.
Willer prallte zurück. »Was geht hier vor?«
Der Mann lächelte noch breiter und zwinkerte ihm zu. Verwirrt und leicht betrunken vom Bier, mühte Willer sich hinter dem Tisch hervor und folgte dem grau gewandeten Diener des Hauses Jarralt aus dem baufälligen Gasthaus und auf die Straße hinaus, wo eine dunkle, unauffällige Kutsche stand, die von vier dunklen, unauffälligen Pferden gezogen wurde. Der Diener öffnete den Wagen– schlag, und Willer spähte in das von Glimmfeuer erhellte Innere des Wagens. Es saß nur ein Mann in der Kutsche.
»Lord Jarralt!«, stieß er hervor. Er riss sich den Hut vom Kopf und vollführte hastig eine unbeholfene Verbeugung. »Wie kann ich Euch zu Diensten sein, Herr?«
Lord Jarralt war in nüchternem Grau und Schwarztönen gekleidet. Er hob eine unberingte Hand und bedeutete seinem Besucher mit einer knappen Geste, sich zu ihm zu setzen. Willer stolperte voller Ehrfurcht die Sprossen zum Schlag der Kutsche hinauf und ließ sich auf das schwarze Samtpolster gegenüber dem Edelmann fallen. Sein Herz schlug schmerzhaft gegen seine massige Brust. »Du kannst uns jetzt allein lassen, Frawly«, sagte Lord Jarralt zu seinem Diener. Willer zuckte zusammen, als Frawly die Kutschentür schloss. Eine Peitsche knallte, dann hörte man das Klappern beschlagener Hufe auf nassen Pflastersteinen, und die Kutsche fuhr los. Wohin oder in welche Richtung ließ sich unmöglich feststellen.
»Mylord«, stieß er atemlos hervor, »ich verstehe nicht. Stimmt etwas nicht? Der König, ist er…«
Jarralt hob die Hand, um ihn zum Schweigen zu bringen. »Für den Augenblick ist unser geliebter König unversehrt, Willer. Und darf ich feststellen, wie sehr es für Euch spricht, dass Euer erster Gedanke ihm und seiner Sicherheit galt. Ich bin… beeindruckt.«
Willer hätte um ein Haar seine Zunge verschluckt. Er wusste nicht, was aufregender war: Dass Lord Conroyd Jarralt seinen Namen kannte, dass er in der Kutsche des Edelmanns saß oder dass ihm soeben einer der mächtigsten und angesehensten Doranen im Königreich ein überschwängliches Kompliment gemacht hatte.
Er räusperte sich. »Vielen Dank, Mylord. Wie kann ich Euch helfen? Euer Diener war überaus verschwiegen…«
»Es freut mich, das zu hören«, sagte Lord Jarralt. »Unser Geschäft ist von privater Natur. Ich würde es nicht gern als… Nahrung für den öffentlichen Verzehr betrachten.«
War das eine Warnung? Ja. Ja, natürlich war es das. »Oh, Herr, Ihr könnt Euch auf meine absolute Diskretion verlassen! Ich kenne den Wert des Schweigens, das versichere ich Euch. In meiner Eigenschaft als
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