König 01 - Königsmörder
und ich?« »Ja. Schließlich geraten viele Menschen einander zuerst in die Haare und stellen dann fest, dass sie sich in dem anderen geirrt haben. Warum sollte es uns nicht genauso ergehen?«
Warum
nicht? Er wusste nicht, ob er lachen oder sich übergeben sollte. »Willer…« »Oh, bitte, Asher. Denkt zumindest darüber nach. Zieht die Vorstellung in Erwägung, dass wir einen neuen Anfang machen könnten.«
»Klar. Ich denke darüber nach.«
Sobald ich tot und begraben bin…
Willer strahlte. »Oh, das ist wunderbar. Vielen Dank. Ich verspreche, Ihr werdet es nicht bereuen.«
Er bereute es jetzt schon. »Schön. Großartig. Gute Nacht, Willer.« Er wandte sich von der dankbar plappernden kleinen Schnecke ab und ging die Treppe des Turms hinauf. Nachdem er sich aus den Küchen Suppe und heißes Brot hatte bringen lassen, saß er halsstarrig in seinem gemütlichen Salon und kämpfte gegen den Schlaf, bis er Gars schleppende Schritte hinter seiner Tür hören konnte.
Erst dann kroch er selbst ins Bett.
Am nächsten Morgen tauchte Gar nur widerstrebend aus dem Schlaf empor. Der dünne Lichtstrahl zwischen den zugezogenen Vorhängen seines Schlafgemachs war wie eine Sichel, die seinen Kopf durchschnitt. Seine Brust und seine fest zugepressten Augen taten weh. Seine Haut. Seine Knochen. Sein ganzer Körper war erfüllt von einem schmirgelpapierscharfen, gnadenlosen Schmerz. Was nichts war im Vergleich zu der Qual des Wettermachens in der vergangenen Nacht.
Asher hat Recht, der verfluchte Kerl. Es muss wirklich aufhören …
Zaghaft streckte er die Beine unter der Decke aus und öffnete die Augen. Der Raum kippte zur Seite und wirbelte um ihn herum wie ein Kreisel. Sein leerer Magen krampfte sich zusammen. Nur gut, dass er auf das Abendessen verzichtet hatte, oder er hätte sich jetzt die stinkenden Überreste aus dem Leib gewürgt… Mit unendlicher Langsamkeit verstrich die heftige Übelkeit schließlich. In Schweiß gebadet lag er in seinen verhedderten Bettdecken und starrte an die Decke, bis er das Drängen seiner Blase nicht länger ignorieren konnte. Sein Bild im Spiegel war grauenhaft genug, um Kindern Albträume einzujagen. Ein lustloses Bad hob seine Stimmung nur geringfügig. Mehr als alles andere wünschte er sich, wieder ins Bett zu kriechen und die Welt für einen Tag außen vor zu lassen… für eine Woche… für immer … Aber er hatte eine heilige Pflicht zu erfüllen – ganz gleich, wie krank und wie alt er sich fühlte.
Ein Frühstück kam nicht infrage, daher kleidete er sich an und ging die Treppe hinunter. In der verlassenen Halle des Turms kreuzte das Pech in Gestalt Darrans seinen Weg. Sein Sekretär war in die Lektüre einer soeben überbrachten Nachricht vertieft und konnte ein erschrockenes Aufkeuchen nicht ganz unterdrücken.
»Ich weiß«, kam er einem Schwall bestürzter Bemerkungen zuvor. »Ich sehe aus wie der leibhaftige Tod und so weiter und so weiter. Betrachtet es als ausgesprochen und das Gespräch als beendet. Wo ist Asher?«
Darran räusperte sich. »Er hat den ganzen Tag über Verpflichtungen, Herr. Wünscht Ihr, dass ich…«
»Nein. Nein. Zweifellos werde ich ihm irgendwann begegnen.«
»Und was ist mit Euch, Herr? Wo werdet Ihr sein, falls man Euch braucht?« »In der Familienkrypta. Ich werde heute ihre Bildnisse anfertigen, Darran. Ich werde sie in Marmor unsterblich machen. Vorausgesetzt natürlich, dass die Schablonen geliefert worden sind?«
Ein Widerschein seines eigenen Schmerzes schimmerte in Darrans Augen auf. »Gestern, Herr. Während Ihr anderweitig beschäftigt wart. Ich habe Euch eine Nachricht auf Euer Pult in der Bibliothek gelegt. Habt Ihr sie nicht…?« »Ich habe seit Wochen keinen Fuß mehr in die Bibliothek gesetzt.« Eigentlich hatte er gehofft, bis zu diesem Zeitpunkt zumindest einige der kostbaren Bücher gelesen zu haben, die aus Barls wiederaufgefundener Sammlung gerettet worden waren, aber die Ereignisse hatten ihn überrollt.
»Es ist nicht wichtig, Herr«, sagte Darran sanft. »Eure Bücher und Schriftrollen werden Euch nicht weglaufen. Wenn Ihr so weit seid, werden sie auf Euch warten.«
Er war so müde, dass die Freundlichkeit eines alten Mannes ihn zu Tränen rühren konnte. Im Vorbeigehen tätschelte er Darrans Arm und überließ ihn dann seinen Pflichten.
Die Krypta des Hauses Torvick war kurz nach Trevoyles Spaltung auf dem Gelände des Palastes erbaut worden. Ihr Architekt war sein erster königlicher Vorfahr, König Cleamon,
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