König 01 - Königsmörder
bettete er seinen schmerzenden Kopf an ihre Brust und liebkoste mit zitternden Fingern ihr hartes, weißes Haar. In der tiefen Stille der Krypta glaubte er, sie ein altes, süßes Wiegenlied über Liebe und Verlust singen zu hören. Er hätte bis in alle Ewigkeit dort bleiben können, nur dass seine Aufgabe noch nicht vollendet war. Streng und freudvoll, sanft und kühn, wartete sein Vater auf ihn. Diesmal schoss die Magie knurrend wie ein räudiger Hund, den man aus der Gosse gezerrt hatte, aus ihm hervor. Kein Strom, sondern ein bloßes Rinnsal. Keuchend, schwitzend und mit einem wahren Sturm unter der Haut statt des gewohnten frischen Windes rang er mit seinen widerspenstigen Kräften, schrie sie an, schmeichelte ihnen, befahl ihnen Gehorsam.
»Ich werde es schaffen!«, schrie er.
»Electha toh ranu! Ranu! Ranu!«
Die uralten Worte des Zwangs ließen die von Glimmfeuer erleuchtete Luft der Krypta erbeben. Er spürte, wie die Magie seine Adern wie Säure durchschoss und sein Fleisch aufschürfte. Irgendetwas tief in ihm verzerrte sich und barst, zerriss mit monströsen Klauen seine Gedanken. An ihre Stelle trat eine endlose Leere.
Eine tiefe Stille. Dann krachte eine Faust aus Dunkelheit auf ihn hernieder, und die Welt endete.
Nachdem sie Poppys Tagewerk in der Buchhandlung gründlich überprüft hatte, stand Dathne schon oben auf der Treppe zu ihren Wohnräumen, als sie das Hämmern an der Hintertür hörte. Sie stöhnte auf. »Geh weg!«
Das Hämmern hörte nicht auf. Fluchend lief sie die Treppe wieder hinunter. »Ich komme, ich
komme!«,
rief sie und riss die Tür auf.
»Was?«
Asher, prächtig ausstaffiert mit grünem Samt und mattgoldenem Brokat.
Ihr Herz schnürte sich zusammen, während verräterische Röte in ihre Wangen flutete. »Oh. Du bist es.«
Er hatte einen versiegelten Weinkrug bei sich, den er ihr mit einem gepressten Lächeln hinhielt. »Hast du Lust, mir zu helfen, meinen Kummer zu ertränken?« Einen Moment lang konnte sie ihm nicht folgen. Dann fiel ihr wieder ein, mit wem er sich an diesem Tag zuletzt getroffen hatte, und sie begriff. »O nein.« »O doch«, erwiderte er. »Glospottle wollte keine Vernunft annehmen, ebenso wenig wie seine dreimal verflixte Gilde. Also geht die ganze Angelegenheit bis in die Halle der Gerechtigkeit.«
Es war nicht komisch, wirklich nicht, aber für einen Moment musste sie die Lippen fest zusammenpressen. »Es tut mir so leid.«
Er drückte ihr den Weinkrug in die Hand. »Nicht so leid wie mir. Lach nur einfach nicht.«
»Das würde mir nicht mal im Traum einfallen.« Sie nahm den Krug entgegen, dann blickte sie an ihm vorbei in den kleinen Hof hinter ihrem Laden. »Wo ist Cygnet?«
»Gut untergebracht in seinem Stall. Ich bin zu Fuß gekommen, weil ich die Bewegung brauchte und die Zeit zum Nachdenken.«
»Das überrascht mich nicht.«
»Also, wirst du mich hereinbitten oder nur meinen Wein nehmen und mir die Tür vor der Nase zuschlagen?«
Wieder spürte sie, dass ihre Wangen heiß wurden. Sie trat zurück und sagte: »Entschuldige. Natürlich. Komm herein. Hast du schon gegessen?« »In letzter Zeit nicht«, erwiderte er und trat über die Schwelle. »Ist das eine Einladung zum Abendessen?«
»Ja«, antwortete sie nach kurzem Zögern. »Ich nehme an, das ist es.« Nachdem er drei Schritt weit in ihr winziges Wohnzimmer getreten war, blieb er stehen und sah sich mit unverhohlener Neugier um. Er war noch nie zuvor hier gewesen. Es war immer ihre beste Verteidigung gewesen, ihn freundlich um Armeslänge auf Abstand zu halten.
Die Strategie schien nicht mehr zu funktionieren.
Der kleine Esstisch war für eine Person gedeckt, daher trug sie den Weinkrug in ihre gleichermaßen kleine Küche hinüber und holte Besteck und eine Serviette für Asher.
Er schnupperte anerkennend. »Irgendetwas riecht hier ausgesprochen gut.« »Kanincheneintopf«, sagte sie und versuchte, nicht zu bemerken, wie gut er in ihr Heim passte. »Nicht so kunstvoll wie die Mahlzeiten, an die du aus dem Turm gewöhnt bist, aber…«
»Es ist perfekt«, sagte er. »Willst du mir ein wenig von diesem Wein einschenken?«
Sie wünschte, er würde nicht auf diese Weise lächeln: herzlich, vertraut… liebevoll. »Warum nicht? Du musst schließlich deinen Kummer ertränken. Die Gläser sind im Schrank neben der Spüle.«
Er machte sich auf die Suche. »Noch lieber würde ich den verdammten Indigo Glospottle ertränken.«
Wie viele Male konnte sie ein Messer und eine Gabel
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