König 01 - Königsmörder
steht denn heute Abend auf dem Wetterplan?«
»Regen über dem Flachen Land. Schnee in den Waldigen Tälern. Und das Zufrieren des Tey ist überfällig.«
Aha. Eine lange, harte Nacht also. Wunderbar. Asher unterdrückte einen Seufzer, machte es sich in dem Sessel, der für sein Wohlbehagen heraufbeschworen worden war, bequem und wartete darauf, dass die Vorstellung begann. Gewappnet gegen den bevorstehenden Ansturm, hob Gar die linke Hand. Schloss die Augen, murmelte ein kurzes Gebet und zeichnete das erste Siegel in die wartende Luft. Die Magie ließ es aufleuchten, wenn auch nur schwach. Asher runzelte die Stirn.
»Gar… das war das falsche Siegel.«
Gars Blick hätte Stein verbrennen können. »Das war es nicht.« »Ihr habt das dritte Siegel für die rechte Hand gezeichnet. Nicht das erste für die linke Hand.« »Das habe ich
nicht
getan.«
Er seufzte. »Ich habe Euch jetzt oft genug Regen rufen sehen, um die Beschwörung in einem Klassenzimmer unterrichten zu können. Das war das falsche Siegel. Und Ihr seid dabei nicht gegen den Uhrzeigersinn um die Karte gegangen.«
»Asher!«
Er lehnte sich zurück. »Schön. Ihr seid der König.«
Gar, der diesmal ging, wie es das Ritual vorsah, begann von Neuem. Er strich das falsche Siegel mit der Hand durch und zerstreute so dessen Energie, bevor er diesmal das richtige Siegel in die Luft zeichnete.
»Tolnek.«
Asher zuckte zusammen.
Luknek,
hätte Gar sagen müssen,
Luknek
zuerst. »Gar…«
»Sei still!«
Asher biss sich auf die Zunge. Schwer atmend hob Gar die rechte Hand und zeichnete das fünfte Siegel, nicht das zweite. Statt hell zu brennen, hing es gespenstisch für Sekunden in der Luft, dann verblasste es. Mit einem erstickten Fluch versuchte er es noch einmal, und diesmal brachte er das richtige Zeichen zustande.
Asher beobachtete mit wachsendem Unbehagen, wie Gar durch die Regenbeschwömng stolperte. Dies war
falsch.
Inzwischen hätte sich die Macht erheben müssen, aber in der Wetterkammer regte sich kein Lüftchen. Statt die Zeichen mit fließenden Bewegungen auf die Leinwand der wartenden Luft zu zeichnen, fuchtelte Gar ohne Eleganz oder Hingabe herum. Er hatte all seine Genauigkeit und seine Zuversicht verloren und machte dadurch Fehler. Was er vollführte, war ein Mischmasch bedeutungsloser Gesten, eine Litanei von Worten, die auf mangelhafter Erinnerung beruhten. Es war ein Zerrbild des Wetterrituals.
Schließlich konnte er es nicht länger ertragen. Er erhob sich, um einzugreifen, streckte die Hände aus und sagte mit vor Mitgefühl rauer Stimme: »Hört auf. Gar, hört einfach auf.«
»Nein«, erwiderte der König und stieß ihn beiseite.
Er trat ein zweites Mal vor ihn hin und sagte: »Ihr habt Euch nicht genügend ausgeruht. Lasst es gut sein. Der Regen kann warten.«
»Er kann nicht warten. Ohne die Wettermagie wird die Mauer fallen.« »Binnen einer einzigen Nacht?«
Gar strich sich mit zitternden Händen übers Gesicht. »Du wirst mir helfen müssen.« »Was?«
»Die Worte sind hier drin!«, sagte Gar und trommelte mit den Fingern auf seine Stirn. »Und die Zeichen. Aber ich kann sie nicht wirklich sehen… Sie nicht greifen…«
»Ich soll Euch helfen?« Asher versuchte zu schlucken, aber sein Mund war zu trocken. »Mit Magie? Seid Ihr von Sinnen?«
Gar sah ihn ungeduldig an. »Du hast es selbst gesagt: Du kennst die Beschwörungen in– und auswendig. Leite mich durch sie hindurch. Sprich die Worte und forme die Zeichen, damit ich sie kopieren kann.«
»Ihr seid wahnsinnig«, flüsterte er.
»Hast du nicht
zugehört?«
In Gars Augen stand ein fiebriger Ausdruck. »Ich kann mich nicht an die richtige Reihenfolge der Beschwörungen erinnern! Wenn du mir nicht hilfst, wird es heute Nacht nicht regnen, und das wird Conroyd genau den Grund liefern, den er braucht, um meine Tauglichkeit als Wettermacher in Zweifel zu ziehen.«
»Und wenn ich es tue und er es herausfindet, wird es
mein
Kopf sein, der einen Holzblock als Kissen benutzt!« »Wie sollte er es herausfinden?«
Asher öffnete den Mund. Klappte ihn wieder zu. Funkelte Gar wütend an. »Ich bitte dich nicht, Barls Erstes Gesetz zu brechen«, sagte Gar mit stiller Eindringlichkeit. »Ich bitte dich, deinem König zu helfen.«
Scheiße.
Scheiße!
Er konnte den Ausdruck auf Dathnes Gesicht, wenn er ihr dies hier erzählte, genau vor sich sehen. »Ich weiß nicht.«
»Bitte.«
Während sein Magen sich zusammenkrampfte, suchte er Zuflucht in hektischer Bewegung. Er
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