König 01 - Königsmörder
um.
»Asher?«
»Barl stehe mir bei«, murmelte der Olke und half ihm, sich aufzurichten. »Ist alles in Ordnung mit Euch? Was ist passiert? Erzählt mir nicht, dass Ihr beschlossen habt, hier zu
schlafen!
Denn das hieße, die Ehrfurcht vor den Toten eine Spur zu weit zu treiben und…«
»Nein, nein«, antwortete Gar und griff sich an den Kopf. »Ich habe die Bildnisse geformt, und… Ich erinnere mich nicht recht. Da war plötzlich Schmerz und ein helles Licht und…« Sein Gesichtsausdruck veränderte sich, und an die Stelle der Verwirrung trat zuerst Vorsicht, dann jähe Angst. »Hilf mir aufzustehen.« Mit einem Ächzen zog Asher ihn auf die Füße. Gar taumelte einen Moment lang, bis er das Gleichgewicht wiedergefunden hatte, dann betrachtete er die drei Särge, sog scharf die Luft ein und wurde so weiß wie der Unterleib eines Fisches. »Barl steh mir bei«, sagte Asher noch einmal, und diesmal war es ein Gebet. Feierlich, friedlich, wunderschön: Die Gesichter der Königin und ihrer Tochter ruhten Seite an Seite, ein Lied und sein Echo. Aber Bornes Gesicht war eine Monstrosität.
Auf der linken Seite war es perfekt. Eine makellose Abbildung des Mannes. Doch die rechte Seite war verzerrt. Geschmolzen. Das steinerne Auge war in seiner Höhle geborsten und hatte marmorne Tränen auf die eingefallene Wange getropft. Es war, als sei das Bildnis aus Wachs und nicht aus Stein gemacht und als hätte ein wahnsinniger Magier es mit Feuer behaucht.
»Was ist passiert? Was ist schiefgegangen?«
»Ich weiß es nicht«, flüsterte Gar. »Es ist alles verworren. Barl sei mir gnädig, Asher. Sein
Gesicht!«
Asher trat zwischen Gar und den Sarg des toten Königs. »Seht es nicht an. Hört mir einfach nur zu. Dies ist geschehen, weil Ihr mit Euren Kräften am Ende seid, Gar. Nix' verfluchter Trank hilft Euch nicht, er sorgt nur dafür, dass Ihr nicht auseinanderfallt. Nur dass nicht einmal das funktioniert. Und die Leute fangen an, es zu bemerken.«
»Welche Leute? Wovon sprichst du?«
»Darran hat mir gestern deswegen zugesetzt. Er kann sehen, in welch jämmerlicher Verfassung Ihr seid, und alle anderen sehen es ebenfalls.« Gar runzelte die Stirn. »Nicht. Nicht hier drin.«
»Wo dann? Gar, es wird Zeit, dass Ihr zur Besinnung kommt. Die Wahrscheinlichkeit, dass Durm das Bett verlassen kann, ist heute nicht größer als vor drei Wochen, und selbst ein Blinder kann sehen, dass Ihr
jetzt
einen Meistermagier braucht.«
»Muss ich einen königlichen Befehl daraus machen? Ich habe gesagt, dass ich darüber nicht reden werde!«
»O doch, das müsst Ihr.« Mit hämmerndem Herzen stieß Asher die Fäuste in seine Taschen. »Ihr macht Euch solch verdammte Sorgen darüber, Durm zu verraten. Was ist mit ihm?« Er trat beiseite und gab den Blick auf Bornes entstelltes Gesicht frei. »Wenn Ihr arbeitet, bis Ihr die Besinnung verliert oder, schlimmer noch, bis Ihr Euch
umbringt,
werdet Ihr dieses Königreich in Geschenkpapier eingewickelt Conroyd Jarralt übergeben. Und wenn das kein Verrat an Eurem Pa ist, weiß ich nicht, was es ist!«
Einen Moment lang dachte er, Gar werde ihn schlagen. Dann verebbte sein Zorn, und Gar wandte sich ab. »Ich weiß.«
»Ihr braucht Hilfe. Zum Wettermachen. Zu Eurer Magie. Ihr braucht jemanden, der versteht, was es bedeutet, Dorane zu sein. Ich kann Euch Euren Mantel halten, während Ihr es regnen lasst, und Euch anschließend mit feuchten Tüchern abtupfen, aber ich kann Euch nicht sagen, wie Ihr Eure Macht beherrschen könnt.«
»Das weiß ich auch«, sagte Gar und drehte sich wieder um. »Ich weiß, ich habe das Unausweichliche vor mir hergeschoben. Und ich weiß, dass es aufhören muss.« Wieder blickte er auf das verwüstete Gesicht seines Vaters und zuckte zusammen. »Dies ist ein Zeichen von Barl, denke ich. Eine Warnung.« »Dann nehmt sie ernst.«
Gar nickte. »Das werde ich tun. Morgen. Heute muss ich mich ausruhen. Heute Abend muss ich Wetter machen, und dazu muss ich zuerst wieder zu Kräften kommen. Wenn das, was hier geschehen ist, beim Wettermachen geschehen wäre…« Er schauderte.
»Schön«, sagte Asher und ging langsam rückwärts auf die Tür des Raums zu. »Morgen. Und denkt nicht, ich würde Euch nicht beim Wort nehmen. Anderenfalls würde der verfluchte Darran mir bis in alle Ewigkeit damit in den Ohren liegen.«
Wieder bleich und ernst, folgte Gar ihm. Als er am Sarg seines Vaters vorbeiging, hielt er inne, beugte sich tief über ihn und drückte die Lippen auf
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