Koenig Arsch - Mein Leben als Kunde
jedem Hersteller frei, die Preise seiner Produkte festzulegen. Aber wenn die Firmen mir mit billigen Geräten teures Zubehör andrehen wollen, ohne es beim Verkauf deutlich zu machen, dann springt die Ehrlichkeit über die (Rasier-)Klinge.
Warum verlangt der Gesetzgeber bei Rasierklingen, Druckerpatronen und ähnlichen Artikeln nicht dasselbe, was seit 2011 für Handy-Ladegeräte gilt: dass die Zusatzprodukte zu allen Hauptgeräten passen müssen. 12 Dann würde der Verbraucher wirklich nur das gewählte Produkt kaufen – und nicht von einem Rattenschwanz aus Monopol-Zubehör gepeitscht.
EIN BLICK VOM KALIBER 40
Ich trete an die Kasse eines Bekleidungskaufhauses. Zwei Frauen hinter der Theke, beide um die 45, sind in ein Privatgespräch vertieft. Es geht um die Eskapaden einer pubertierenden Tochter. Ich lege die Kleidungsstücke mit einem hörbaren Rascheln auf den Tresen. Keine Reaktion. Ich räuspere mich. Die Erzählende schießt einen Blick auf mich ab, der, wenn er aus einem Revolver käme, mindestens Kaliber 40 hätte. Ich zucke. Sie führt ihre Geschichte, die offenbar auf eine Pointe zusteuert, mit leicht erhöhter Geschwindigkeit fort.
Ich sammle mich: »Entschuldigung, darf ich mal stören?« Dieser Satz – wohl der häufigste Kundensatz in Deutschland – sagt alles: Ich, der Kunde, entschuldige mich dafür, dass ich von meinem Dienstleister einfordere, was er mir schuldet – einen schnellen und höflichen Service! In diesem Fall nur: dass er mein Geld entgegennimmt.
Die Kassiererin zischt: »Geht sofort los!« Sofort heißt für mich: auf der Stelle – für sie: »Nachdem ich zu Ende erzählt habe!« Tatsächlich muss ich noch eine halbe Minute warten, bis sie mit dem Reden aufhört und mit dem Kassieren anfängt.
Diese Verbalohrfeige kostet mich 215 Euro. Kleidung inklusive.
Die Mogelpackung
Bei einem Bummel durch eine Filiale der Drogeriekette Ross mann lerne ich das Staunen: Kann es sein, dass ich hier beschenkt werde? Dass ich für dasselbe Geld auf einmal mehr Gegenleistung bekomme? Aus den Regalen lacht mich eine Flasche des Spülmittels »ultra Palmolive« an. Das Etikett verspricht: »Neu + 2 0 % mehr Inhalt«.
Soll ich bei so viel Großzügigkeit zugreifen? Besser nicht! Durch meine Recherche weiß ich, dass der entscheidende Hinweis auf der Packung fehlt: Mit der Zugabe wurde die Preisschraube von 0,85 auf 1,65 Euro gedreht. Der relative Preis ist um 62 Prozent gestiegen. Während ich als Verbraucher meine, 20 Prozent zu sparen, zieht mir der Anbieter das Dreifache zusätzlich aus der Tasche.
Ein paar Schritte weiter dasselbe Spiel: Diesmal lädt mich das Duschgel »Palmolive Aroma Therapy« zu einer entspannenden Dusche ein. Einen Eimer kaltes Wasser liefert der Hersteller gleich vorneweg. Zwar ist der Preis für die Packung stabil: 1,75 Euro, aber die Größe ist geschrumpft: Statt 300 Milliliter sind nur noch 250 Milliliter enthalten – in Taschendieb-Manier sollen mir 20 Prozent mehr Geld aus dem Portemonnaie gezogen werden.
Ein heiliger Zorn steigt in mir auf: Mit welchem Recht führen mich die Produkthersteller hinters Licht? Mit welchem Recht täuschen sie mir stabile oder gar sinkende Preise vor, während sie die Produktmengen kürzen, ihre Gewinne steigern und mich auf schäbige Weise abzocken?
Wer einen Preis erhöht, muss das für seine Kunden sichtbar machen. Doch wie Einbrecher ihre Spuren am Tatort verwischen, verwischen die Hersteller die Spuren ihrer Preiserhöhungen. Heimlich lassen sie Packungen schrumpfen oder den Preis mehr wachsen als den Inhalt. Dieses windige Vorgehen verstößt gegen den Grundsatz von Treu und Glauben. Als Kunde muss ich davon ausgehen können, dass Packungsgrößen stabil sind und dass Hersteller eine Preiserhöhung offen über das Preisschild kommunizieren.
Der Gesetzgeber zieht sich auf eine Formalie zurück: Am Regal sei ja der Grundpreis eines Produktes ausgezeichnet, zum Beispiel in 100-Gramm-Einheiten. Aber welcher Kunde beachtet diesen kleingedruckten Hinweis schon und rechnet ihn auf die Gesamtpackung um? Das ist so, als müsste man bei jedem neuen Tanken auf der Hut sein, ob sich der Spritpreis tatsächlich auf einen Liter bezieht – oder nicht doch auf 900, 800 oder 750 Milliliter.
Außerdem kann man bei jedem Gang durch den Supermarkt feststellen, dass solche Auszeichnungen oft fehlerhaft sind – zum Beispiel wird ein neues Produkt ins Regal sortiert, aber die alte Auszeichnung bleibt stehen oder fehlt komplett. Der
Weitere Kostenlose Bücher