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Koenig Arsch - Mein Leben als Kunde

Koenig Arsch - Mein Leben als Kunde

Titel: Koenig Arsch - Mein Leben als Kunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Wehrle
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den letzten Jahren wurden etwa 5 000 Zugbegleiterstellen abgebaut. In etlichen Bundesländern, unter anderem in Baden-Württemberg, rollen die meisten Regionalzüge schon ohne Zugbegleiter über die Gleise. 15
    Wer als Bahnkunde von pöbelnden Skinheads attackiert wird, einen Herzanfall erleidet oder nur eine Auskunft über einen An schlusszug begehrt, sitzt in seinem Regionalzug-Abteil wie auf einem Abstellgleis: allein und verlassen. Die Bahn, das große Serviceunternehmen, serviert ihn ab.
    SKANDAL IM ZUG
    Drei Beispiele, wie mies Bahnreisende in Zügen behandelt erden:
    Fall eins: Auf der Strecke Stuttgart-Aalen hetzt eine Kontrolleurin einem vierjährigen Kind und dessen Familie zwei Polizisten auf den Hals – weil für das Kleinkind keine Fahrkarte gelöst wurde. Erst später dämmerte der Kontrolleurin, was eigentlich zum kleinen Einmaleins des Zugbegleiters gehört: Kinder unter sechs Jahren reisen kostenfrei. 16
    Fall zwei: Zwei Mädchen, 12 und 13 Jahre alt, fliegen in Ostdeutschland aus dem Zug. Eine hatte ihre Fahrkarte vergessen und musste ihr schweres Cello fünf Kilometer nach Hause schleppen. Andere Zugreisende hatten angeboten, das Ticket für das Mädchen zu bezahlen. Doch die Schaffnerin zog es vor, das Kind aus dem Zug zu werfen. Mögliche Ursache: Kurz zuvor hatte die Bahn unter ihren Mitarbeitern ein Kopfgeld auf ertappte Schwarzfahrer ausgesetzt! 17 In einem anderen Fall landete ein Mädchen 42 Kilometer von ihrem Elternhaus entfernt auf dem Bahnsteig. Ihr Wunsch, die Mutter über das Diensthandy des Schaffners zu informieren, wurde abgelehnt. Der Schaffner behauptete, die Kos ten für dieses Gespräch aus eigener Tasche bezahlen zu müssen.
    Fall drei: Beim Aussteigen aus einem Zug in Pritzwalk wollte eine junge Mutter erst den Kinderwagen, dann ihre zweijährige Tochter aus dem Zug heben. Doch ein gehbehinderter Mann stieg dazwischen aus. Dann knallten die Türen zu. Der Zug fuhr an. Hilflos musste die Mutter mit ansehen, wie ihre Tochter entschwand. 18
    Zum Glück stand ein Bahnmitarbeiter nur ein paar Meter neben ihr: »Stoppen Sie den Zug!«, forderte sie ihn auf. Doch der lehnte ab – mit Hinweis auf den Fahrplan. Der Zug rollte über die Interessen der Kundin, über sämtliche Gebote der Menschlichkeit hinweg.
    Das kleine Mädchen, natürlich völlig verstört, wurde von einer Polizeistreife an einem der nächsten Bahnhöfe aufgelesen. Die Polizei leitete eine Ermittlung gegen die Bahnmitarbeiter ein – wegen des »Verdachts der Entziehung Minderjähriger.«
    Das Verspätungs-Dynamit
    Wer eine Katastrophe anrichten will, braucht nicht nur ein Fass Dynamit, sondern auch einen Funken, der es zum Explodieren bringt. Das Dynamit der Bahn sind ihre Verspätungen. Und der Funke, der meine Geduld sprengt, ist ihre Informationspolitik. Verglichen mit dem, was die Bahn mir über verspätete Züge mitteilt, ist die nordkoreanische Regierung in Pjöngjang regelrecht auskunftsfreudig, wenn man sie auf ihr Atomprogramm anspricht.
    Ich stehe wieder mal auf dem Bahnsteig. Diesmal – vor der Reise von Hamburg in die Oberpfalz – bin ich guter Dinge. Eine halbe Stunde zuvor hatte ich mich im Internet vergewissert: Der Zug wird pünktlich sein! Und bis jetzt, eine Minute vor Abfahrt, hat niemand das Gegenteil behauptet.
    Dann knistert der Lautsprecher: »Die Einfahrt des ICE 585 auf Gleis 2 verzögert sich um wenige Minuten.« Wenige Minuten? Sind das zwei oder drei? Zehn oder zwanzig? Vor allem: Bekomme ich meinen Anschlusszug in Nürnberg? Schaffe ich meinen Termin? Oder muss ich ihn absagen?
    Ach, hätte ich bloß eine Kristallkugel dabei! Ihr wäre mehr zu entnehmen als den Durchsagen der Bahn. Der Lautsprecher-Papagei wiederholt seine Worte. Eine Viertelstunde vergeht. Immer mehr Menschen drängen auf den Bahnsteig. Jeder will die Chance nutzen, in den ersten Zug Richtung Süden zu springen. Zugverspätungen verhalten sich zum Fahrplan wie die Lawine zum Tal: Was oben losbricht, richtet unten Katastrophen an; wenn dieser Zug eine halbe Stunde zu spät kommt, kann der nächste ein Totalausfall sein.
    Mittlerweile sind 25 Minuten vergangen, und der Lautsprecher wechselt seine Strategie: Der ICE »fährt in Kürze ein«. »Kürze«? Solche Begriffe sind wie Kaugummi: Man kann sie beliebig in die Länge ziehen.
    Offen bleibt: Warum kommt der Zug nicht pünktlich? Der Termin im Fahrplan steht seit zwölf Monaten fest, Zeit genug, einen abfahrbereiten Zug aufs Gleis zu stellen. Die technischen Risiken

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