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Koenig Arsch - Mein Leben als Kunde

Koenig Arsch - Mein Leben als Kunde

Titel: Koenig Arsch - Mein Leben als Kunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Wehrle
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entfernt wie die nächste Zugtoilette ist,
und wie ein Weltkonzern, der Trassen durch die Mongolei treibt, seine Kunden zu Hause im Regen stehen lässt.
    Meine Karriere als Schwarzfahrer
    Jetzt noch schnell an den Automaten springen, ein Ticket lösen, und los geht’s. Das war mein Plan, als ich den Bahnsteig betrat. Doch am Automaten standen schon zwei andere Menschen: vorne eine alte Frau mit Kopftuch, hinter ihr ein Jugendlicher, dessen MP3-Player den Bahnsteig mit Hardrock beschallte.
    Die Kopftuch-Omi ließ sich Zeit. Ihre Hand schwebte über der Tastatur wie ein Bussard überm Feld. Nach einer kleinen Ewigkeit stieß sie hinab auf die Knöpfe. Die Frau schob ihr Gesicht ans Display, als wollte sie es küssen – wandte sich ab, tippte, zuckte mit den Achseln, putzte ihre Brille, tippte erneut. Der Automat erbrach eine Lawine aus Kleingeld.
    »Kann ich helfen?«, fragte ich betont laut, um den MP3-Player zu übertönen. Die alte Frau winkte ab: »Nein, das geht schon.« Nichts ging! Ich trat von einem Fuß auf den anderen. Würde ich noch eine Fahrkarte bekommen?
    Schließlich zog die Omi ab. Ohne Ticket. Noch zwei Minuten bis zur Einfahrt des Zuges. Der MP3-Freund stopfte zwei Münzen in den Automaten, hämmerte auf die Tasten und fluchte: »Der Automat ist kaputt.« So war es!
    Quietschend hielt der Zug. Den Schaffner hatte ich ganz vorne auf dem Bahnsteig gesehen. Als der Zug anfuhr, lief ich ihm im Gang entgegen. Er war ein beleibter Mann mit blondem Schnurrbart, der in kühnen Locken über der Oberlippe rankte.
    »Entschuldigen Sie«, sprach ich ihn an, »ich möchte eine Fahrkarte nachlösen. Der Automat funktionierte nicht.«
    Er zog die Augenbauen nach oben: »Tut mir leid, das kostet Sie jetzt 40 Euro. Ich muss Sie wie einen Schwarzfahrer behandeln.«
    Ich versuchte es mit Logik: »Wenn ich ein Schwarzfahrer wäre – käme ich dann in der Sekunde der Abfahrt freiwillig zu Ihnen, um ein Ticket zu kaufen?«
    Er nickte bedächtig: »Ich habe nicht gesagt, dass Sie ein Schwarzfahrer sind . Ich habe nur gesagt: Ich muss sie so behandeln .«
    Mein Hals schwoll an: »Soll ich jetzt dafür büßen, dass die Bahn es nicht schafft, einen funktionstüchtigen Automaten zur Verfügung zu stellen? Von einem besetzten Schalter ganz zu schweigen!«
    »Sie müssen 40 Euro bezahlen. Nur vorübergehend. Das Geld bekommen Sie zurück, wenn Sie sich schriftlich beschweren und auf den kaputten Automaten hinweisen.«
    »Das gleiche Geld, das ich Ihnen jetzt in die Hand drücke, soll ich mir durch einen langen Briefwechsel per Überweisung wieder zurückholen? Wäre es nicht einfacher, Sie würden mir gleich eine Fahrtkarte verkaufen. Eine einfache Fahrkarte, mehr will ich ja gar nicht!«
    »Ich darf Ihnen keine Fahrtkarte mehr verkaufen, selbst wenn ich es wollte. Aus der Zentrale wird uns eingebläut: Wer ohne Fahrkarte einsteigt, steigt mit erhöhtem Beförderungsentgelt aus!«
    Die normalste Sache der Welt, dass man beim Schaffner eine Fahrkarte kauft, wird mir von der Bahn in den meisten Regionalzügen verweigert. Und in überregionalen Zügen stellt sie automatisch einen Aufschlag von zehn Prozent in Rechnung, eine Strafgebühr dafür, dass man sich von einem Menschen bedienen lässt.
    Der Kundenservice müsse verbessert werden, predigt Bahnchef Rüdiger Grube. Warum duldet er dann, dass seine Kunden wie Verbrecher behandelt, nicht selten sogar der Bahn- oder Bundespolizei vorgeführt werden – nur weil mal wieder ein Automat versagt hat oder ein Ticketschalter geschlossen war?
    Wie kommt es zu diesem fatalen Mangel an Kulanz und Augenmaß? Warum kann ein Zugbegleiter nicht nach eigenem Ermessen entscheiden, ob er es mit einem Schwarzfahrer oder einem ehrlichen Kunden zu tun hat? Hält die Bahn ihre Mitarbeiter für unfähig und ihre Kunden für kriminell?
    Viele Schaffner fühlen sich von ihrem Arbeitgeber unter Druck gesetzt. Die Bahn lässt ihr Personal auf gespenstische Weise prüfen: durch »Mystery Customers«. 14 Das sind verdeckte Ermittler, als Fahrgäste getarnt. Wer sich als Schaffner nicht millimetergenau an die Vorgaben hält, sondern individuell reagiert – im schlimmsten Fall sogar kundenfreundlich! –, wird von diesen Bahnspionen angeschwärzt.
    Jeder Bahnkunde gilt einem misstrauischen Zugbegleiter als potenzieller Spitzel seines Arbeitgebers. Und so wird er behandelt: streng nach Vorschrift, ohne Herz und Verstand.
    Der Druck auf die Zugbegleiter hat mit der Personalpolitik des Konzerns zu tun. In

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